Wilhelm Jordan. Wilhelm Jordan. 259. Aus der: „Sigfridsage". 1. Vorgesang. Ich wage zu wandeln verlassene Wege Zur fernen Vorzeit unseres Volkes. Erwache denn, Weise voll straft und Wohllaut, Die Mutter Natur germanischem Munde 5 Eingebildet und angeboren, Wie draußen im Busche Drossel und Buchfink Lockruf und Lied von der Meisterin lernten. Wie verstummte sie denn? so fraget ihr staunend. Vernehmt, wie sie starb, wie sie nun auferstanden. io Als unsere Ahnen den Erdkreis erobert, Verloren den Himmel die heimischen Götter. Das Reich war entrissen der ewigen Roma, Doch zu gelten begann sie als Eeisterfürstin. Es war ihre Sendung, zu sanfter Sitte iü Mit Kreuz und Krummstab die Krieger zu zähmen. In der Lehre der Liebe vom leidenden Heiland Fanden die Vorfahrn erfüllt ein Hoffen, Von welchem die Stimme der Wala gestammelt. Sie beteten, büßten und — mußten verbannen, 20 Diesem Befehle der Völkersürstin Mit Wehmut nur weichend, die Götter Walhalls. Da sanken die Säulen des Sonnenlenkers, Da beugten sich dem Beile die heiligen Bäume, Da wanderte Wodan zur eisigen Wüste 25 Islands hinauf, wo in endlosen Nächten Nur das Nordlicht die Dämmerung nachahmt. Da legte sich schlafen der Donnerkeilschleudrer Und Geber des Reichtums, der Gott der Garben Mit dem roten Bart, um verborgen im Berge 30 Zu warten, bis wieder einst Walvater weckend Zum Rat ihn berufe durch seine zwei Raben. So gingen die Götter und wurden vergessen. In die Nacht hinunter nahmen sie mit sich Den schönsten Schah, den sie schenken den Völkern, 35 Ihr Lob zu lohnen: die Weihe des Liedes.