ßamburgiidie Dramaturgie V. V. V. V V. V. V. Q QQQQQ 431 aus einzelnen Scenen ganze Aufzüge werden müssen; denn wenn man den Ärmel aus dem Kleide eines Riesen für einen Zwerg recht nutzen will, so muß man ihm nicht wieder einen Ärmel, sondern einen ganzen Rock daraus machen. Tut man aber auch dieses, so kann man wegen der Beschul¬ digung des Plagiums ganz ruhig sein. Die meisten werden in dem Faden die Flocke nicht erkennen, woraus er gesponnen ist. Die wenigen, welche die Kunst verstehen, verraten den Meister nicht 40 und wissen, daß ein Goldkorn so künstlich kann getrieben sein, daß der Wert der Form den Wert der Materie bei weitem übersteigt. Ich für mein Teil bedauere es also wirklich, daß unserem Dichter Shakespeares Richard so spät beigefallen. Er hätte ihn können gekannt haben und doch ebenso original geblieben sein, als er jetzt ist; er hätte ihn können genutzt haben, ohne daß ein einziger übertragener Gedanke davon gezeugt hätte. Wäre mir indes eben das begegnet, so würde ich Shakespeares Werk wenigstens nachher als einen Spiegel genutzt haben, um meinem Werke alle die Flecken abzuwischen, die mein Auge un- 50 mittelbar darin zu erkennen nicht vermögend gewesen wäre. — Aber woher weiß ich, daß Herr Weiße dies nicht getan? Und warum sollte er es nicht getan haben? . . . Vierundiiebzigltes Stück. 'Den 15. Januar 1768. Es ist vornehmlich der Charakter des Richard, worüber ich mir die Erklärung des Dichters wünschte. Aristoteles würde ihn schlechterdings verworfen haben; zwar mit dem Ansehen des Aristoteles wollte ich bald fertig werden, wenn ich es nur auch mit seinen Gründen zu werden wüßte. Die Tragödie, nimmt er an, soll Mitleid und Schrecken er¬ regen; und daraus folgert er, daß der Held derselben weder ein ganz tugendhafter Mann, noch ein völliger Bösewicht sein müsse. Denn weder mit des einen noch mit des anderen Unglücke lasse sich jener Zweck erreichen. 10 Räume ich dieses ein, so ist Richard der Dritte eine Tragödie, die ihres Zweckes verfehlt. Räume ich es nicht ein, so weiß ich gar nicht mehr, was eine Tragödie ist. Denn Richard der Dritte, so wie ihn Herr Weiße geschildert hat, ist unstreitig das größte,