379 ganzen Ton und den Gegenständen der Unterhaltung den geborenen Athener erkennen, der, unter ganz anderen Eindrücken und Anschauungen aufgewachsen als der Lakone in seinen abgelegenen Tälern oder der Arkadier in seinen Bergen, seit lange gewohnt war, die Angelegenheiten eines großen Staates als seine eigenen Geschäfte zu behandeln. 295. Ein Staatsbegräbnis in Athen. Joseph Freundgen. Das erste Jahr des Krieges war vorüber; der Winter war gekommen; da ruhten nach altem Kriegsbrauch in stillschweigender Übereinkunft beiderseits die Waffen. Wohl war den Athenern allen der Krieg fühlbar geworden. Das übermächtige Landheer des Feindes war in Attika ein¬ gedrungen und hatte wochenlang in der attischen Feldmark, die offen vor ihm lag, verwüstend und verheerend gehaust. Die Bewohner des offenen Landes hatten sich und ihre fahrende Habe nach des Perikies Weisung in die Stadt geflüchtet, hinter deren weit ausgedehnten Befestigungen, die noch auf Jahre hinaus den Feinden unangreifbar erscheinen sollten, sie schirmendes Obdach gefunden hatten. Von hier aus hatten sie Abend um Abend fast den Himmel sich röten sehen unter dem Widerscheine der Feuersgluten, welche so viele der behäbigen Bauernhöfe, so viele der zier¬ lich anmutigen Landhäuser weit umher verzehrten. Als dann nach fünf Wochen der Feind abgezogen, da fanden Gutsherrn und Bauern auf ihren Feldern die Saat, soweit sie herangereift war, zertreten und zer¬ stampft, die Saaten, die der Reife entgegen gingen, vor der Zeit ge¬ schnitten; in den Weingärten und Olivenhainen waren die Früchte lang¬ jährigen Fleißes vernichtet und segenversprechende Anlagen auf Jahre hinaus zerstört. Dann übte Athens meerbeherrschende Flotte unerbittliche Vergeltung. In kleineren und größeren Geschwadern liefen die attischen Schiffe die peloponnesischen Küsten an Punkten freier Wahl an, den Feind in seinem eigenen Gebiete mit Brandschatzung zu schädigen und zu züchtigen. Reiche Beute brachten sie nach Hause zum Entgelt für die Schädigungen, die den heimatlichen Fluren angetan worden. Mit Genug¬ tuung durften wohl die Athener auf den Krieg schauen, soweit er hinter ihnen lag; mit unverdrossener Zuversicht sahen sie seinem Fortgange entgegen. Da kam während des Winters für die Athener ein Tag, der mit seiner ernsten Feier in allen Schichten der Bürgerschaft tiefe Trauer her¬ vorrufen mußte. Es war der Tag, an welchem die Gebeine derer, die im Verlaufe des Krieges dem Schwerte der Feinde erlegen waren, von Staats¬ wegen bestattet werden sollten, so wie es Sitte und Gesetz erheischten. Während dreier Tage waren bereits die Gebeine der für das Vaterland Gefallenen, denen freilich am Orte des Kampfes selbst schon der Scheiter¬ haufen bereitet worden war, in einem kostbaren Zelte auf dem Markte 5 10 15 20 25 30 35 40