419 Herren geschenkt, welche die Schlachten des neuen Deutschlands schlugen; wir wollen ihm auch die Ehre gönnen, diese Tochter seines alten Fürstenhauses sein Landeskind zu nennen, obgleich sie fern dem Lande ihrer Väter geboren und erzogen wurde. An dem stillen Darmstädter Hofe genoß die kleine Prinzessin mit ihren munteren Schwestern das Glück einer schlicht natürlichen, keineswegs sehr sorgfältigen Erziehung. Da sie heranwuchs, erzählte alle Welt von den wunderschönen mecklen¬ burgischen Schwestern. Jean Paul widmete ihnen seine überschweng¬ liche Huldigung. Goethe lugte im Kriegslager vor Mainz verstohlen zwischen den Falten seines Zeltes hervor und musterte die lieblichen Gestalten mit gelassenem Kennerblicke; seiner Mutter, der alten Frau Aal, lachte die Kinderlust aus den braunen Augen, wenn die jungen Damen nach Frankfurt kamen und im Dichterhause am Hirschgraben Specksalat aßen oder an dem Brunnen im Hofe sich selber einen frischen Trunk holten. So menschlich einfach wie die Kindheit der Prinzessin verlief, ist auch der Schicksalstag der Frau in ihr Leben eingetreten; dort in Frankfurt, am Tische des Königs von Preußen, fand sie den Gatten, der ihr fortan „der beste aller Männer" blieb. An lauten Huldigungen hat es wohl noch niemals einer deutschen Fürstenbraut gefehlt; aber das war doch mehr, als der frohe Zuruf angestammter Treue, was die beiden mecklenburgischen Schwestern bei ihrem Einzug in Berlin be¬ grüßte. In einem Augenblicke gewann die Kronprinzessin alle Herzen, da sie das kleine Mädchen, das ihr die üblichen Hochzeitsverse her¬ sagte, in der Einfall ihrer Freude zum Entsetzen der gestrengen Ober¬ hofmeisterin umarmte und küßte. Die unerfahrene siebzehnjährige Frau, aufgewachsen im einfachsten Leben, sollte sich nun zurecht finden auf dem schlüpfrigen Boden dieses mächtigen Hofes, wo um den früh gealterten König ein Gewölk zweideutiger Menschen sich scharte, wo der geistvolle Prinz Ludwig Ferdinand sein unbändig leidenschaftliches Wesen trieb und der Kronprinz mit seiner frommen Sittenstrenge ganz vereinsamt stand; da fand sie eine treue und kundige Freundin an der alten Gräfin Doß. Wer kennt sie nicht, die strenge Wächterin aller Formen der Etikette, die in siebzig Jahren höfischen Lebens das gute Herz, das gerade Wort und den tapferen Mut sich zu bewahren wußte? Sie gab ihrer Herrin den besten Rat, der einer jungen Frau erteilt werden kann: keinen anderen Freund und Vertrauten sich zu wählen als ihren Ge¬ mahl; und dabei blieb es bis zum Tode der Fürstin. Für den edlen, doch früh verschüchterten und zum Trübsinn ge¬ neigten Geist Friedrich Wilhelms ward es ein unschätzbares Glück, 27* 5 10 15 20 25 30 35 40