10 Lehre in die Handlung weder versteckt, noch verkleidet, sondern durch sie der anschauenden Erkenntnis sähig gemacht werde. Ihm würde es erlaubt gewesen sein, uns von der Natur dieser auch der rohesten Seele zukommenden Erkenntnis von der mit ihr verknüpften schnellen Überzeugung, von ihrem o daraus entspringenden mächtigen Einstufte aus den Willen das Nötige zu lehren. Ich käme zu der zweiten Erklärung, die uns Breitinger von der Fabel gibt. Doch ich bedenke, daß ich diese bequemer an einem andern Orte werde untersuchen können. — Ich verlasse ihn also. Batteux. 10 Batteux erklärt die Fabel kurzweg durch die Erzählung einer allegorischen Handlung (I^'apologue 68t le reeit ck'une aetion allegorique). Weil er es zum Wesen der Allegorie macht, daß sie eine Lehre oder Wahrheit verberge, so hat er ohne Zweisel geglaubt, des moralischen Satzes, der in der Fabel zugrunde liegt, in ihrer Erklärung gar nicht erwähnen zu dürfen. Man sieht 15 sogleich, was von meinen bisherigen Anmerkungen auch wider diese Er¬ klärung anzuwenden ist. Ich will mich daher nicht wiederholen, sondern , bloß die fernere Erklärung, welche Batteux von der Handlung gibt, untersuchen. „Eine Handlung", sagt Batteux, „ist eine Unternehmung, die mit Wahl und Absicht geschieht. — Die Handlung setzt außer dem Leben und 20 der Wirksamkeit auch Wahl und Endzweck voraus und kommt nur ver¬ nünftigen Wesen zu." Wenn diese Erklärung ihre Richtigkeit hat, so mögen wir nur neun Zehnteile von allen existierenden Fabeln ausstreichen. Äsopus selbst wird alsdann deren kaum zwei oder drei gemacht haben, welche die Probe 25 halten. — „Zwei Hähne kämpfen miteinander. Der Besiegte verkriecht sich. Der Sieger fliegt aus das Dach, schlägt stolz mit den Flügeln und kräht. Plötzlich schießt ein Adler aus den Sieger herab und zerfleischt ihn." — Ich habe das allzeit für eine sehr glückliche Fabel gehalten, und doch fehlt ihr nach dem Batteux die Handlung. Denn wo ist hier eine Unter- 30 nehmung, die mit Wahl und Absicht geschähe? — „Der Hirsch betrachtet sich in einer spiegelnden Quelle; er schämt sich seiner dürren Läuse und freut sich seines stolzen Geweihes. Aber nicht lange! Hinter ihm ertönt die Jagd. Seine dürren Läufe bringen ihn glücklich ins Gehölze; da ver¬ strickt ihn sein stolzes Geweih; er wird erreicht." — Auch hier sehe ich 35 keine Unternehmung, keine Absicht. Die Jagd ist zwar eine Unternehmung, und der fliehende Hirsch hat die Absicht, sich zu retten; aber beide Umstände gehören eigentlich nicht zur Fabel, weil man sie ohne Nachteil derselben weg¬ lassen und verändern kann. Und dennoch fehlt es ihr nicht an Handlung. Denn die Handlung liegt in dem falsch befundenen Urteile des Hirsches. 40 Der Hirsch urteilt falsch und lernt gleich daraus ans der Erfahrung, daß er falsch geurteilt habe. Hier ist also eine Folge von Veränderungen, die einen einzigen anschauenden Begriff in mir erwecken. — Und das ist meine