54 Und es werden im Mutterherzen Leichter ihr die bittern Schmerzen, Wenn sie andern kann ersparen Solches Leid, wie sies erfahren. Und noch ehe sie ausgetrauert. Ward gemeißelt und gemauert, Ward der Strom ins Bett gezwänget Und die hohe Brücke gesprenget. Sah sie dann oft fröhliche Knaben Über den Pfad von Steine traben Und die schäumenden Wasser höhnen. Die in felsiger Tiefe tönen. Und mit leichtem Tritte wallen Mütter hinter den Kindern allen, Sieh, da flössen ihre Tränen Mild von Freude, mild von Sehnen. Und ihr Werk, das fromme, dauert; Aber sie hat ausgetrauert, Höret die Wasser nicht mehr toben, Ist bei den jungen Söhnen droben. 4. Johannes Kant. Den kategorischen Imperativus fand. Das weiß ein jedes Kind, Immanuel Kant. Dem kategorischen Imperativus treu Zwang durch ihn wilde Seelen zu frommer Scheu 5 Lang vor Immanuel Herr Johannes Kant, Und wenige wissens, wie die Sache bewandt. Derselb ein Doktor Theologiä war In schwarzer Kutte mit langem Bart und Haar, So saß er zu Krakau auf dem Lehrersitz, io So ging er einher gegürtet in Kält und Hitz, Ein rein Gemüt, ein immer gleicher Sinn, Dem unrecht dulden, nicht tun stets deuchte Gewinn. Im grauen Alter zog ein Sehnen den Kant Gen Schlesien in sein altes Vaterland, is Er schloß die Bücher in'n Schrein, bestellt' sein Haus, Den Seckel nahm er und zog in die Fern hinaus. Gemächlich ritt in der schweren, schwarzen Tracht Der Doktor durch der polnischen Wälder Nacht, Doch in der Seele, da wohnt ihm lichter Schein, Die goldnen Sprüche zogen aus und ein, 20 Ins Herz schoß Strahlen ihm das göttliche Wort, Voll innern Sonnenlichtes, so ritt er fort. Auch merkt er nicht, wie das Tier in finstrer Schlucht Den Weg durch Abenddunkel und Dickicht sucht, Er hört nicht hinter sich Tritt und Trott, 25 Er ist noch immer allein mit seinem Gott. Da wimmelts plötzlich um ihn zu Roß, zu Fuß, Da flucht ins Ohr ihm der Wegelagerer Gruß; Es stürmen auf den heiligen Mann sie ein, Es blinken Messer und Schwert imMondenschein. so Er weiß nicht, wie ihm geschieht, er steigt vom Roß, Und eh sies fordern, teilt er sein Gut dein Troß; Den vollen Reisebeutel streckt er dar, Darin beim Groschen manch blanker Taler war. Vom Halse löst er ab die güldne Kett, 35 Er reißt die schmucken Borten vom Barett: Den Ring vom Finger und aus der Tasche zieht Das Meßbuch er mit Silberbeschlag und Niet; Daß sie das Pferd abführen mit Sattel und Zaum, Der arm erschrockne Mann, er sieht es kaum; -io Erst wie er alles Schmuckes und Gutes bar, Da flehet er um sein Leben zu der Schar. Der bärtige Hauptmann faßt ihn an der Brust Und schüttelt sie mit derber Räuberlust. „Gabst du auch alles?" brüllts um ihn und.15 murrt, „Trägst nichts versteckt in Stiefel oder Gurt?" Die Todesangst schwört aus dem Doktor: „„Nein!"" Und aber „„Nein!"" Es zittert ihm Fleisch und Bein. Da stoßen sie fort ihn in den schwarzen Wald; Er eilt, als wär er zu Roß noch, ohne Halt; 50 Doch fährt die Hand im Gehen wie im Traum Hinab an der langen Kutte vorderm Saum, Mit Angst fühlt sie herum an allem Wulst, Und endlich findet sie da die rechte Schwulst, Wo eingenäht, geborgen und unentdeckt 55 Der güldene Sparpfennig sich versteckt. Nun will dem Mann es werden recht sanft und leicht,