122 Er schultert' die Baßgeig und sah nicht mehr um, Vergaß selbst sein gelb Kolophonium, Ließ Noten zurück und Sacktuch und Kapp Und sprang wie besessen den Tannwald hinab: 65 „Gut Nacht, Adagio und Bademusik! Gut Nacht, der Petzold kommt nimmer zurück!" Im Bad indes hat niemand Kunde, Was Herr Petzold erlauscht in jener Stunde; Es kamen wie sonst die Herren und Damen 70 Im Speisesaal zum Souper zusammen. Der Expeditor bracht an Paket und Brief, Was mit der Wolfacher Post einlief. Auch von Freiburg der alte Herr Kreispräsident Erhielt ein gesiegelt Pergament, 75 Und man bemerkte, daß etwas blaß Seine Züge wurden, als er es las; Es scheint, auch in dieser Epistola Stand was von trom trom und trari trara! Denn er flüsterte Frau und Tochter was zu 80 Und rief auch plötzlich den Badwirt herzu Und sprach: „Ich verreise früh morgen um vier, Besorgen Sie schnell einen Wagen mir!" Und wiewohl kopfschüttelnd der Badwirt sprach: „Sie haben bestellt ja für dreißig Tag 85 Die Wohnung und sind erst seit heut int Quartier;" Erwidert er: „Dennoch verreis ich von hier!" Des andern Morgens früh um vier Uhr Er mit Extrapost von dannen fuhr. Auch der Herr von Questenberg von Wien so Nicht mehr wie sonst an der Quelle erschien. Er nahm trotz seinem seidenen Rock In derselben Kutsche Platz auf dem Bock. Um acht Uhr saß alles wie sonst beim Kaffee Im Hof und unter der Lindenallee; 05 Doch die Musik schlich traurig heran. Statt sechsen warens nur fünf Mann, Und was sie spielten, war inkomplett. Daß schier man sie ausgepfiffen hätt. Drum zu den Gästen mit klagender Miene wo Sprach entschuldigend die erste Violine: „Wir sind ruiniert, ein verstimmter Akkord! Die Baßgeig mitsamt dem Petzold ist fort!" Da wurde viel geschwatzt und gesprochen. Ob Freund Petzold wohl seinen Hals gebrochen, Oder ob als leichtfertiger Musikant 105 Er ohne Abschied von dannen gerannt. Die Menschheit ist stets geneigt zum Bösen, Man machte viel boshafte Hypothesen: Er hab als Verliebter im Schatten der Nacht Einer Wälderin ein Baßgeigenständchen ge¬ bracht 110 Oder liege, vom süßen Weine trunken, Wohl in jammervolle Träume versunken. Nur der Flötist sprach mit edelm Mut: „Der Petzold ist klug und weiß, was er tut!" Und wieder nahte die Mittagsstunde 115 Und saßen die Gäste in fröhlicher Runde, Die Schüsseln dampften—nur auf der Tribüne Dacht die Musik mit betrübter Miene: „Bald kommt der Braten, 0 schlimmes Signal, Heut spielen wir nur zu unserer Qual, 120 Wir sind ruiniert, ein verstimmter Akkord, Die Baßgeig mitsamt dem Petzold ist fort!" Der Braten kam, schon schwirrten die Geigen, Da flog durch den Saal ein bedeutungsvoll Schweigen, Die Fenster klirren — 0 bittres Dessert! 125 Ein Kanonenschuß vom Kniebis her! Noch einer — piff, paff! — s ist nimmer geheuer, O Gott, Geschütz- und Musketenfeuer! Und zwischen hinein: trom trom, trara! Behüt uns der Herr vor der Musika! 120 Wie wenn der Blitz in ein Taubenhaus schlägt, Schwirrt alles verstört und bewegt und erregt... Dort fällt ein Stuhl —hier zerbricht ein Teller, Dort verschüttet einer den Muskateller, Die Damen schluchzen, die Kinder schrein, — 135 Der taucht sein Biskuit in den Senftopf ein — Der fordert die Rechnung — der Rosse — der Wagen — Der denkt: jetzt hat meine Stunde geschlagen Und spricht zur lockigen Nachbarin: „Ich lieb euch! laß uns zusammen fliehn!" ho Der ruft zum Wirt: „Ade, sei geduldig! Für diesmal bleib ich die Zeche schuldig!" Der zupft ihn am Ärmel—der tritt ihm den Fuß: „Ein Königreich für einen Omnibus! Auf, auf! helft, helft! schon hört man ganz nah 145 Trom trom, trom trom! — trari trara!"