123 O Rippoldsau, du stilles Tal, Wie warst du verwandelt mit einemmal! Seit der Sündflut hat in verworrener Flucht i5o Keine Gesellschaft so das Weite gesucht. Hier trug ein Herr auf erhobenem Arm Eine ohnmächtige Dame durch den Schwarm, Hier galoppte ein Reiter die Straße hinab, Dort entfernte ein Hausknecht zu Fuß sich im Trab, i55 Ja, ein verspäteter Unglückssohn Ritt auf dem Haushund Sultan davon. Eine halbe Stunde — und still und stumm Lag Badhaus und Quelle und alles ringsum, Rur auf der Galerie der Musik iso Blieb ein einzig menschliches Wesen zurück. Es war der Flötist, er stieg fröhlich und munter In den menschenverlassenen Saal hinunter Und sprach: „Wozu das unnütze Rennen! s ist Zeit genug noch, um durchzubrennen, Doch ein Lauf mit Durst und leerem Magen — i«5 Das kann kein Flötenspieler vertragen." Er setzte sich an den verlassenen Tisch Und tat sich noch gütlich mit Braten und Fisch, An Biskuit und Mandeln, am ganzen Dessert, Als ob kein Schweb in der Nähe wär . . . ito Auch steckt er gelassen in seine Taschen Zwei unversehrte Affentaler Flaschen, Bis daß auf fünfzig Schritte nah Es von neuem klang: „trari trara! Trom trom, trom trom, trom trom, hurra! 175 Der Schweb ist da, — der Schweb ist da!" Da griff er ruhig nach Flöte und Hut: „Ich sagts ja, der Petzold weiß, was er tut. Jetzt noch ein Glas Wein und das letzte Stück Kuchen, . .. Dann will auch ich den Petzold suchen!" iso 7. Theodor Fontane <1819—1898). Quellet Gedichte 1. Guter Rat. An einem Sommermorgen, Da nimm den Wanderstab, Es fallen deine Sorgen Wie Nebel von dir ab. Des Himmels heitere Bläue Lacht dir ins Herz hinein Und schließt wie Gottes Treue Mit seinem Dach dich ein. Rings Blüten nur und Triebe Und Halme von Segen schwer, Dir ist, als zöge die Liebe Des Weges nebenher. So heimisch alles klinget Als wie im Vaterhaus, Und über die Lerchen schwinget Die Seele sich hinaus. 2. Mittag. Am Waldessäume träumt die Föhre, Am Himmel weiße Wölkchen nur; Es ist so still, daß ich sie höre. Die tiefe Stille der Natur. 7. Berlin 1901. Rings Sonnenschein auf Wies und Wegen, Die Wipfel stumm, kein Lüftchen wach. Und doch, es klingt, als ström ein Regen Leis tönend auf das Blätterdach. 3. Glück. Sonntagsruhe, Dorfesstille, Kind und Knecht und Magd sind aus, Unterm Herde nur die Grille Musizieret durch das Haus. Tür und Fenster blieben offen, Denn es schweigen Luft und Wind, In uns schweigen Wunsch und Hoffen, Weil wir ganz im Glücke sind. Felder rings, — ein Gottessegen Hügel auf- und niederwärts, Und auf stillen Gnadenwegen Stieg auch uns er in das Herz. 4. Spätherbst. Schon mischt sich Rot in der Blätter Grün, Reseden und Astern sind im Verblühn, Die Trauben geschnitten, der Hafer gemäht, Der Herbst ist da, das Jahr wird spät.