136 Was du wahr und schön empfunden, Laß es frei aus dunkler Haft, Tief im Denken muß bekunden Sich die Schönheit und die Kraft. Nacht wird läuternd alles wandeln, Wo der Tag dir Irrtum weist, Dann vom Denken rasch zum Handeln Schreit' erfüllungskühn der Geist! Blühn und Knospen ist nur Schale, Ob auch schön, doch längst in Flucht, Wenn im glühnden Sonnenstrahle Badet sich die goldne Frucht. Flor der Nacht mag ruhig hüllen Nun die Welt, vom Traum gehegt, Dir auch wird sie läuternd stillen, Was der Tag dir wild erregt. Schwindet dann vom Sterngewölbe Ausgelöscht das Lichterspiel, Sei du morgen noch derselbe, Aber näher deinem Ziel. 4. Aus „Waldmeisters Brautfahrt". I. Noch ist die blühende goldene Zeit, O du schöne Welt, wie bist du so weit! Und so weit ist mein Herz und so froh wie der Tag, Wie die Lüfte, durchjubelt vom Lerchenschlag! Ihr Fröhlichen, singt, weil das Leben noch mait: Noch ist die schöne, die blühende Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Frei ist das Herz, und frei ist das Lied, Und ftei ist der Bursch, der die Welt durch¬ zieht, Und ein rosiger Kuß ist nicht minder frei, So spröd und verschämt auch die Lippe sei. Wo ein Lied erklingt, wo ein Kuß sich beut. Da heißts: noch ist blühende goldene Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Ja, im Herzen tief innen ist alles daheim, Der Freude Saaten, der Schmerzen Keim! Drum frisch sei das Herz und lebendig der Sinn, Dann brauset, ihr Stürme, daher und dahin! Wir aber sind allzeit zu singen bereit: Noch ist die blühende goldene Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! II. Pfingsten ist gekommen. Grün bergauf, bergab, Nun zur Hand genommen Hut und Wanderstab! Nun mit Maien kränzt euch, Schmücket und beglänzt euch. Singt und feiert auf das best Frühlings Maienfest! Grüne Zweige prangen Froh vor jeder Tür, Ros'ge Mädchenwangen Lauschen draus herfür. Frühlingsruf kommt mahnend, Herzlein träumen ahnend Heimlich unterm Maienbaum Ihren Maientraum. Frohe Wandergrüße, Flieget mir voraus! Tragt mich, leichte Füße, Nachts zum Waldeshaus! Laub und Zweige deckt mich. Bis am Morgen weckt mich. Der mein Schlummerlied auch schuf, Nachtigallenruf! Pfingsten ist gekommen, Goldne Blütenzeit! Rings in Glanz verschwommen Liegt die Erde weit. Lieb und Lust erneun sich, Erd und Himmel freun sich Über Jugend, Gruß und Kuß, Freudigsten Genuß!