164 Ihr Leib war verwelkt, ihre Wange war fahl, Ihr Auge erloschen in langer Qual, Und von Ketten geknickt schwer wankte ihr Fuß- Und sie lächelte still Herrn Heinrich zum Gruß. Ritter Heinrich aber, wie schaut er so blaß: „Schön Adelheid liebt ich, doch ist sie das?" — Kaiser Otto sprach: „Ritter Heinrich, wohlan, Meine Tochter begehrt dich vor allen zum Mann. Und liebst du wie sie, so stark und so rein. So habt ihr gewonnen und dein soll sie sein." Ritter Heinrich sah nieder, sprach dumpf und schwer: „Ich liebte sie heiß, doch ich lieb sie nicht mehr."- Zwei Jahre im Kerker, zwei Jahre in Qual, Richt wankte das Herz ihr ein einziges Mal; Bei dem ersten Wort, das Herr Heinrich sprach, Schön Adelheids Herz in Schmerzen zerbrach; Sie weinte nicht Tränen, sie seufzte schwer. Sank nieder zur Erde und lebte nicht mehr. — Auf stand vor dem Kaiser Graf Wilhelm von Rort: „Ritter Heinrich, ich habe an euch noch ein Wort: Schön Adelheid sah ich, sie war noch ein Kind, Ich habe sie schweigend bis heute gewinnt. — Schön Adelheid wußt ich zwei Jahre in Leid, Zwei Jahre drum trug ich ein schwarzes Kleid: Und verblich es um dich, das geliebte Gesicht, So steht hier der Rächer, auf, Bube, und ficht!" — Hui — riß aus der Scheide Graf Wilhelm den Stahl, Es zückte den seinen Herr Heinrich zumal. Grafen Wilhelms Schwert, eine Schlange voll Wut, Es dürstete lechzend nach Heinrichs Blut; Er drängte ihn wild, und er ließ nicht nach, Bis er mitten durchs Herz Herrn Heinrich stach. — Zu Adelheids Füßen Herr Heinrich glitt. Fort stieß ihn Graf Wilhelm mit zürnen¬ dem Tritt. Er kniete herab auf den blutigen Grund Und küßte sie heiß auf den bleichen Mund. „Und ob deine Schönheit verging und verblich, Schön Adelheid, heute noch liebe ich dich!" Er hob ihr lockiges Haupt auf das Knie, Und er und der Kaiser weinten auf sie — Auf stand Graf Wilhelm — sein Haar war grau — Nie hob er den Blick mehr zu andrer Frau. 2. Detlev Freiherr von Liliencron (*1844). Quelle: Ausgewählte Gedichte 4. 1. Aus den Sicilianen. (Meiner Mutter.) Wie oft sah ich die blassen Hände nähen Ein Stück für mich — wie liebevoll du sorgtest! Ich sah zum Himmel deine Augen flehen. Ein Wunsch für mich — wie liebevoll du sorgtest! Und an mein Bett kamst du mit leisen Zehen, Ein Schutz für mich—wie sorgenvoll du horchtest! Längst schon dein Grab die Winde überwehen, Ein Gruß für mich — wie liebevoll du sorgtest! 2. Auf eine Hand. Die Hand, die zitternd in der meinen lag Am Maientag, als weit die Amseln sangen, Die heimlich mir, ein unbewußt Verlangen, Im Garten einst die frische Rose brach; Berlin und Leipzig 1900. Die mir, wenn staubbedeckt der heiße Tag In Mannespflicht und Arbeit war vergangen. Am weißen Arme blitzen Güldenspangen, Den kühlen Trunk kredenzte im Gemach; Die liebestill manch Hindernis entrückte Und breite Sorgenströme überbrückte: Die treue Hand, die schöne, anmutreiche, O laß sie ruhen einst auf meinem Herzen, Wenn ich verlasse dieses Land der Schmerzen, Daß ich gesegnet bin, wenn ich erbleiche! 3. Du mein Vaterland. Es schillert um mich glänzend bunt Gefieder, Im Palmwald lärmt der Affen lustig Heer, Der Indianer stützt die schlanken Glieder Aufs Rohr und starrt mit mir hinaus ins Meer.