471 den einst von ihr Ausgeschloffenen; und als er nun dort seinen Sitz wieder ein¬ genommen, kommt Kundrie, dieselbe Gralsbotin, die ihm einst den Fluch verkündigt, angeritten, in schwarzem Sammetmantel mit goldenen Turteltauben, dem Wappen des Grals. Diesmal fällt sie zu Parzivals Füßen und fleht weinend um seine Huld. Dann wirft sie den Schleier zurück, gibt sich zu erkennen und spricht mit feierlich erhobener Stimme zu Parzival: „Nun sei demütigen Sinnes froh des dir beschied'nen Teiles, der Krone menschlichen Heiles! Tie Inschrift wurde gelesen: Du bist zum Herrn des Grals erlesen." Mit Freudentränen vernimmt Parzival diese Botschaft und macht sich sofort mit Kundrie auf den Weg nach Montsalvatsch. Eine Schar von Templern, die ihnen im Wald begegnet, springt von den Rossen und empfängt mit abgebundenen Helmen den neuen König, der nun seinen Einzug in die Gralburg hält. Dort erlöst er durch die Frage nach dem Leiden seines Oheims und durch ein gläubiges Gebet vor dem Gral den alten Anfortas von seinen Leiden, über den plötzlich ein herrlicher Glanz kommt, worauf er sich in blühender Schönheit vom Siechbett erhebt. Nachdem Parzival von seinem Königtum im Gral Besitz genommen, findet er auch seine Ge¬ mahlin Kondwiramur mit seinen beiden ihm inzwischen geborenen Söhnen wieder, an derselben Stelle, wo einst Blut und Schnee ihm den Sinn entrückt. Nun läßt er den jüngeren seiner Söhne, Kardeiß, zum König über seine weltlichen Erbreiche krönen; der ältere, Lohengrin, soll einst des Vaters Nachfolger im Gralkönigtum werden. - Es verkündet aber eine Inschrift am Gral allen seinen Rittern die Pflicht, niemals eine Frage nach ihrer Herkunft zu gestatten, wenn sie vom Gral ausgesendet werden. Lohengrin selbst, zum Gemahl einer Herzogin von Brabant bestimmt und in einem vom Schwan gezogenen Nachen nach Antwerpen geschickt, muß seinem jungen Weibe diese Frage verbieten; als dieselbe dennoch nach seiner Herkunft fragt, scheidet er von ihr für immer. Das Schiff mit dem Schwan holt ihn wieder nach dem Gral zurück. Richard Wagner verwertete den Stoff des mittelhochdeutschen Epos „Lohengrin" zum Text für seine gleichnamige Oper, die im Jahre 1850 durch Liszt in Weimar zur ersten Auf¬ führung gebracht wurde. 9. Der Stil des dentscheu Epos. Nach Ludwig Uhland (1787-1862). In Beziehung aus Farbe und Fülle zeichnet sich unser epischer Stil weder durch malerische Beiwörter noch durch ausgeführte Vergleichungen aus. Die Eigenschaften der Helden und Heldinnen sind durch einfache Beiwörter: kühn, schnell, schön, milde, treu, ungetreu, grimmig u. dgl. ausgedrückt, oft auch mit Verstärkung: wunderschön, sturmkühn, mordgrimm u. s. f.; und diese Bezeichnungen sind nach ihrer allgemeinen Natur nicht auf bestimmte Personen beschränkt. Gleichwohl enthalten solche schlichte Wörter die sittlichen Triebfedern der gewaltigen Heldengeschichte, und wir vergegenwärtigen uns ihre Bedeutsamkeit in denjenigen Charakteren, welche die bezeichneten Eigenschaften, wenn nicht ausschließlich, doch in vorzüglichem Maße zur Erscheinung bringen, z. B. der milde Rüdiger, Helle, die gute, der getreue Eckart, der ungetreue Siebich, der grimme Hagen, der kühne Wolfhart. So fühlen wir die Innigkeit, womit in diesen Gedichten die Verhältniffe der Dienstmannschaft und der Blutsverwandtschaft durchaus behandelt sind, noch darin, wenn der Dienstmann von seinem lieben Herren, der Fürst von seinen werten, lieben Mannen spricht, der Sohn den Vater anredet: Ach, Vater, liebster Vater! u. dgl. m.