Worwort. Der 2. Band unseres deutschen Lesebuchs für Lehrerseminare bringt die Auswahl für die Prosalektüre. Wir gliedern sie in zwei Gruppen: 1. Aus Religion, Wissenschaft und Kunst; 2. Reden, Briefe, Erlasse. Da für die Prosa Lessings, Herders, Goethes, Schillers und Riehls Schulausgaben vorhanden sind und wir Freytag und Gildemeister im Präpa- randenlesebuch zu Worte kommen lassen, konnten wir im ersten Abschnitte dieses Bandes die wissenschaftliche Prosa ausgiebig berücksichtigen. Wir bieten Lesestoff aus fast allen Forschungsgebieten, auf denen deutsche Gelehrte gewirkt und geschaffen haben. Dazu fühlten wir uns umsomehr verpflichtet, als unsere Literatur und Sprache in den letzten hundert Jahren in hervorragender Weise einen wissenschaftlichen Charakter trägt und die neuen Lehrpläne derartige Musteraufsätze verlangen. Sollen nämlich ihre hohen Ziele in bezug auf die Bildung und das selbständige Weiterarbeiten unserer zukünftigen Lehrer mit Erfolg erreicht werden, so ist es nötig, sie schon von der Präparandenanstalt an allmählich in wichtige Fragen und Probleme der Religion, der Wissenschaften und Künste einzuführen. Denn nur dann werden sie während ihres Seminarbesuchs soweit in ihrem wissenschaftlichen Interesse und ihrem geistigen Können zu fördern sein, daß sie auf ihren oft einsamen und abgelegenen Wirkungsstätten nicht darin ermüden, im Sinne der neuen Bestimmungen sich je nach Anlage und Neigung auf diesem oder jenem Gebiete weiter um¬ zuschauen und in die sie interessierenden Stoffe zu vertiefen, ja selbständig zu forschen, indem sie zu den Quellen selbst greifen, aus denen unsere Auswahl getroffen ist, oder etwa Werke zum Selbststudium zu erlangen trachten, wie sie unser Verfasserverzeichnis aufführt. Man wolle deshalb gegen den Ideengehalt der Lesestücke, die wir bringen, nicht den Vorwurf erheben, daß er dem Fassungsvermögen unserer Seminaristen nicht entspreche, noch gegen den Umfang mancher Aufsätze einwenden, daß sie zu sehr der mit Recht so häufig getadelten „Häppchen- oder Brockenliteratur" gleichen, um zur Gewinnung der eben gekennzeichneten Ziele beitragen zu können. Prüft man unsere Sammlung auf diese Punkte hin, so wird man hoffentlich zunächst erkennen, daß wir uns bestreben, durch sie in unseren Seminaristen auf dem Wege streng logischer Beweisführung einmal den Sinn für wissenschaftliche Wahrheit zu wecken und zu stärken und dann das Verständnis für das Tatsächliche anzubahnen und zu fördern. Wie man immer mehr erkennt, ist dazu aber nötig, daß ihren Geisteskräften „etwas zugemutet" wird. Und daß die Prosa des Seminarlesebuchs auch verstanden wird, ist sehr wohl möglich, wenn die Stücke durchgearbeitet sind, welche der 3. Band des Präparandenlesebuchs bringt. Ferner aber meinen wir, daß man bei dem wissen¬ schaftlichen Lesestoffe für Lehrerseminare nicht so sehr auf räumlich umfangreiche als inhaltlich wertvolle Proben Gewicht legen muß, da unsere Seminaristen alsbald anzuleiten I