Jrn Lichte des Christentums. Bei der großen Bedeutung, welche die damalige Wissenschaft den soge¬ nannten Temperamenten oder Flüssigkeitsmischungen im menschlichen Körper, der „feurigen, luftigen, wässerigen oder irdischen Natur“ bei¬ legte, ist es gar nicht unwahrscheinlich, daß Dürer selbst auch an diese Unterscheidungen gedacht habe. Was der ernst sinnende Johannes, der ruhige Petrus, der lebhafte Markus und der feurige Paulus dem Beschauer sagen wollen, das hat der Maler durch die Unterschriften erläutert, welche er den Bildern hinzufügte : „Alle weltlichen Regenten in diesen gefahr¬ vollen Zeiten sollen billig acht haben, daß sie nicht für das göttliche Wort menschliche Verführung annehmen; denn Gott will nichts zu seinem Worte getan noch davon genommen haben. Darum höret diese trefflichen vier Männer Petrum, Johannem, Paulum und MarkumP Als ihre ,,War¬ nung“ werden nun die Stellen aus dem 2. Brief des Petrus, aus dem 1. Brief des Johannes, aus dem 2. Brief des Paulus an Timotheus und aus dem 12. Kapitel des Markusevangeliums angeführt, welche vor falschen Pro¬ pheten und Sektierern, vor Leugnern der Gottheit Christi, vor Lasterhaften und vor hoffärtigen Schriftgelehrten warnen. Mit diesen mahnenden Unterschriften versehen verehrte Dürer die beiden Tafeln im Herbst 1526 seiner Vaterstadt zu seinem Andenken. Rührend ist die Bescheidenheit des Begleitschreibens, mit dem er dieselben an den Rat übersandte : „Dieweil ich vorlängst geneigt gewesen wäre, Eure Weisheit mit einem kleinwürdigen Gemälde zu einem Gedächtnis zu ver¬ ehren, habe ich doch solches aus Mangelhaftigkeit meiner geringschätzigen Werke unterlassen müssen. Nachdem ich aber diese vergangene Zeit eine Tafel gemalt und darauf mehr Fleiß denn auf andere Gemälde gelegt habe, achte ich niemand würdiger dieses zu einer Gedächtnis zu behalten als Eure Weisheit, deshalb ich auch dieselbe hiermit Eurer Weisheit verehre, unter¬ tänigerweise bittend, dieselben wollen dieses kleine Geschenk gefällig und günstig annehmen und meine günstigen gnädigen Herren, wie ich bisher allebei gefunden habe, sein und verbleibenP Ein Jahrhundert lang hingen die beiden Gemälde in der Sitzungs¬ stube der ersten Würdenträger von Nürnberg. Dann erwarb sie Kurfürst Maximilian von Bayern. Dieser ließ auf die Vorstellungen des Rats von Nürnberg die bedenklich erscheinenden Unterschriften von den Tafeln absägen und an die Kopie ansetzen, welche die Nürnberger anstatt der Originale behielten. h. Knackfuss. ^39. Dürers „Marienleben". Von den Holzschnittbildern, in denen Dürer das Leben der Jung¬ frau Mraia nach der Legende und den Evangelien schilderte, scheint der * V 246 €