497 „Und brauset der Sturmwind des Krieges heran, Und wollen die Welschen ihn haben, So sammle, mein Deutschland, dich stark wie ein Mann, Und bringe die blutigen Gaben, Und bringe den Schrecken, und trage das Grauen Von all deinen Bergen, aus all deinen Gauen, Und klinge die Losung: Zum Rhein! Uebern Rhein! All Deutschland in Frankreich hinein!“ Sie wollen's: So reiße denn, deutsche Geduld, Reiß durch von dem Belt bis zum Rheine. Wir fordern die lang gestundete Schuld — Auf! Welsche, und rühret die Beine! Wir wollen im Spiele der Schwerter und Lanzen Den wilden, den blutigen Tanz mit euch tanzen. Wie klinget die Losung: Zum Rhein! Uebern Rhein! All Deutschland in Franukreich hinein!“ Mein einiges Deutschland, mein kühnes, heran! Wir wollen ein Liedlein euch singen Von dem, was die schleichende List euch gewann: Von Straßburg und Metz und Lothringen! Zurück sollt ihr zahlen, heraus sollt ihr geben! So stehe der Kampf uns auf Tod und auf Leben! So klinge die Losung: „Zum Rhein! Uebern Rhein! All Deutschland in Frankreich hinein!“ Solche und andere — alte und neue feurig patriotische Lieder erklangen durch das ganze Vaterland. Ein solcher Sangeseifer war seit Jahrzehenten nicht dagewesen. Am meisten aber ward die Waächt am Rhein gesungen. 429. Das neue deutsehe Reich. Nach F. Schmidt. Wunderbares Walten des Geschieks! Gerade Versailles, von wo aus unter Ludwig XIV. am eifrigsten, rücksichtslosesten und erfolgreiebsten an der Schmähung Deutschlands gearbeitet werden, war der Ort, an welchem das deutsche Kaiserthum wiederaufgerichtet werden sollte. Was die Welt an Pracht kennt, ist in dem Riesenschlosse dieser Stadt angebracht. Wie vor zweihundert Jahren, unverändert ist die Pracht desselben geblieben. Aber nicht mehr thronte bier die Hoheit französischer Staatsmacht. Auf Befehl des deutschen Bundesfeldherrn war das Königsschloss zu Versaigles zum Peldlazareth eingerichtet, in velehem deutsehe Sieger von ibren ruhmvollen Wunden gebeilt wurden. Kein Lächeln und kein Schäkern mehr in diesen Prunkgemächern. Rastlos Sehritt die barmherzige Schwester an ihr Liebeswerk, der der Krankenwärter an ibre Pflcht; selbst der weiland kaiserliche Schlobe- beamte hier musste damals den Kranken allerlei Hilfsdiensteé mitleisten. AMes aber ging gstumm und mit leisem Plisstern durch die heilige Stätte des Sehmerzes. Das grosso Hauptquartier des Königs befand sien in der Präfektur, einem schlössahnlichen Gebäude, dessen Bau drei Millionen PFranks gekostet hat. Wo die Pruppen nothwendig ihren Marseh machen mussten, da nahm der König sein Quartier; er muss an das Penster treten, wenn die Drommel wirbelt, oder wenn die Musik die Wacht am Rbein spièlt. Der Graf Bismarck dagegen wohnte in einer der stillsten Strassen von Versailles, fern vom Stade MSiehe S. 270. Kehr u. Kriebitzsch, Deutsches Lesebuch. 1. 32