J I — 46 — 15. Die klare Sonne bringt's an den Tag. Die Brüder Grimm. Kinder- und Hausmärchen. Gr. Ausg. 21. Aufl. Berlin. 1886. Wilhelm Hertz. 8. 453. Ein Schneidergesell reiste in der Welt auf sein Handwerk herum und konnte keine Arbeit finden, und die Armut war-bei ihm so groß, daß er keinen Heller Zehrgeld hatte. In der Zeit begegnete ihm auf dem Weg ein Händler; da dachte er, der hätte viel Geld bei sich, und stieß Gott aus seinem Herzen und ging auf ihn los und sprach: „Gieb mir dein Geld oder ich schlage dich tot!" Da sagte der Mann: „Schenkt mir doch das Leben! Geld hab' ich keins und nicht mehr als acht Heller." Der Schnei¬ der aber sprach: „Du hast doch Geld, und das soll auch heraus!" brauchte Gewalt und schlug ihn so lange, bis er nah am Tode war. Und wie der- Alte nun sterben wollte, sprach er das letzte Wort: „Die klare Sonne wird es an den Tag bringen!" und starb damit. Ter Schneidergesell griff ihm in die Tasche und suchte nach Geld, er fand aber nicht mehr als die acht Heller, wie der Händler gesagt hatte. Da packte er ihn auf, trug ihn hinter einen Busch und zog weiter auf sein Handwerk. Wie er nun lange Zeit gereist war, kam er in eine Stadt bei einem Meister in Arbeit. Dessen Tochter heiratete er und lebte in einer glücklichen Ehe. Nach einigen Jahren saß eines Morgens der Mann auf dem Tisch vor dem Fenster, und die Frau brachte ihm den Kaffee. Als er diesen nun in die Unterschale ausgegossen hatte und. eben trinken wollte, da schien die Sonne darauf, und der Wiederschein blinkte oben an der Wand so hin und her und machte Kringel daran. Da sah der Schneider hinauf und sprach: „Ja, die will's gern an den Tag bringen und kann's nicht." Die Frau sprach: „Ei, lieber Mann, was ist denn das? Was meinst du damit?" Er antwortete: „Das darf ich dir nicht sagen." Sie aber sprach: „Wenn du mich lieb hast, mußt du mir's sagen," und gab ihm die aller¬ besten Worte, es sollt's kein Mensch wieder erfahren, und ließ ihm keine Ruhe. Da erzählte er. vor langen Jahren, wie er auf der Wanderschaft ganz abgerissen und ohne Geld gewesen, habe er einen Mann erschlagen: der habe in der letzten Todesangst die Worte gesprochen: „Die klare Sonne wird's an den Tag bringen." Nun hätt's die Sonne eben gern an den Tag bringen wollen und hätte an der Wand geblinkt und Kringel gemacht, sie hätt's aber nicht gekonnt. Danach bat er sie noch besonders, sie dürfte es niemand sagen, sonst käm' er um sein Leben; das versprach sie auch. Als er sich aber zur Arbeit gesetzt hatte, ging sie zu ihrer Gevatterin und vertrante ihr die Geschichte, sie dürfte sie aber keinem Menschen wieder r