96 97. Die Ameisen. Harald Othmar Lenz. Gemeinnützige Naturgeschichte. Gotha. Im Juli und August legen große, ungestörte Ameisen¬ haufen zuweilen neue Kolonien an. Sie beginnen meist vor¬ mittags, wenn die Witterung gut und nicht allzu heiß ist. Es kommen sodann ganze Heereszüge aus dem Mutterhaufen her¬ vor, lauter Junge, die an ihrer helleren Farbe kenntlich sind. Voran ziehen verschiedene Weibchen. Geflügelte sind nicht da¬ bei, auch tragen sie keine Puppen mit sich. Am Platz der Niederlassung teilen sie sich in die Arbeit; die einen beschäftigen sich mit Ausgrabung der Höhlen und Gänge, also mit dem eigentlichen Bau, die anderen aber tragen unaufhörlich die Erde heraus; denn ihre Wohnung besieht aus lauter hohlen Gängen und Kammern, die alle eine Gemeinschaft zusammen haben. Die Wohnungen sind verschieden, weil sich die Ameisen jederzeit nach der Beschaffenheit des Bodens richten. Ist er fest und zusammenhaltend, so gleicht ihre Wohnung öfters einem Badeschwamm, und die Kammern und Gänge sind so nahe aneinander, daß die Wände ganz dünn sind und man sich über die erstaunliche Arbeit und Geschicklichkeit dieser kleinen Tierchen wundern muß, wenn man eine solche Wohnung senk¬ recht durchschneidet. Ist hingegen der Boden locker und sandig, so werden die Wände sehr dick gebaut. Die in der Erde künstlich ausgeführte Wohnung wird von oben entweder mit Erd¬ krümchen oder einer Menge kleiner Dinge, wie Aststückchen, Knospen, Fichtennadeln u. s. w., überwölbt. Manche wohnen auch in Holz, welches sie durchlöchert haben. Von der Wohnung aus bilden sie bestimmte Straßen, welche auch oft die Bäume hinanführen, oder graben Tunnels selbst unter Flüssen hinweg. Auf diesen Straßen weichen sich Gehende und Kommende un¬ aufhörlich aus und machen sich sicherlich durch Berührung mit den Fühlern Mitteilungen; sind erstere hungrig, so lassen sie sich oft von letzteren, indem sie dieselben anhalten, füttern. In eine solche Straße darf sich keine Ameise von fremden Haufen wagen, sonst wird sie heftig angefallen und wohl gar erwürgt. Wirft man fremde Ameisen in einen Haufen, so gibt es eben¬ falls heftige Balgerei; ,so groß auch oft die Anzahl eines Haufens ist, so kennen sie sich doch untereinander gar wohl.