192 hauen! Dem gilt es den Tod, der das getan." Siegfrieds Mannen und Siegfrieds Vater wurden geweckt; lauter Jammer erfüllte weit und breit die Säle und Höfe, und zur Rache scharten sich die Getreuen des erschlagenen Helden, — kaum daß Kriemhild warnen und abwehren konnte: es sei jetzt noch nicht Zeit zur Rache, — dereinst werde sie kommen. Als der Tote auf der Bahre lag, kamen die Könige, ihre Brüder und die Verwandten; auch Hagen trat ohne Scheu hinzu. Kriemhild aber wartete an der Bahre des Vahrrechts, — einer Volkssitte und eines Volks¬ glaubens, der noch heute nicht ausgestorben ist: wenn der Mörder dem Gemordeten nahe trete oder gar dessen Leichnam berühre, öffnen sich die Wunden und das Blut fließe von neuem, — und als Günther ihr eben einzureden suchte, fremde Mörder hätten ihn erschlagen, da trat Hagen heran, und die Wunden flössen. „Ich kenne die Räuber wohl," rief die Arme, „und Gott wird die Tat an ihnen rächen." Der Leichnam ward eingesargt und zu Grabe getragen; Kriemhild folgte, mit unnennbarem Jam¬ mer bis zum Tode ringend. Noch einmal aber begehrte sie, das '' schöne Haupt des Geliebten zu sehen, und der köstliche Sarg, aus Gold und Silber geschmiedet, ward aufgebrochen. Da führte man sie herbei, und mit ihrer weißen Hand hob sie noch einmal das Heldenhaupt empor und drückte einen Kuß auf die bleichen Lippen. Man trug sie von dannen. Der edle Held wurde begraben. An die Stätte, wo ihre Liebe begonnen, wo sie in grimmem Leide geendet hatte, war Kriemhild gefesselt. Siegmund zog mit seinen Mannen zurück in die Heimat, um für den Enkel des Reiches zu pflegen, Kriemhild blieb in Worms; — die Herrschaft im Niederland, das Königreich der Nibelungen mit seinen Schätzen hatte für sie nur Wert gehabt durch Siegfried; auch das Kind sah sie nie wieder, — ihr Leben war völlig aufgegangen in dem herrlichen Helden, welcher der ihrige war; nach seinem Tode hatte sie nur zwei Gedanken, zwei Gefühle: Leid und Rache; erst über¬ wältigte das Leid den Gedanken der Rache; nach dem Leid trat diese in ihr Recht. Es begann die Zeit des Leidens; in tiefem Trauern weilte Kriemhild dreizehn Jahre zu Worms, über drei Jahre nach Sieg¬ frieds blutigem Tode würdigte sie ihren blutbefleckten Bruder Günther keines Wortes, Hagen keines Blickes. Um die Schwester r