171 O Sonne!“ rief die Schlange, „mit Vergnügen Leg ich mich stundenlang hinein.“ Die Eule schrièô: „Verschone mein Gesicht Mit deinem mir verbabten Licht, 9 Sonne, kann ich doch kein Schlupfloch finden, Wobin äein Strahl nicht dringt; ich werde noch erblinden.“ 10 „Wohbltat'ge Sonne, sei mir lange so geneigtl“ Hub eine Feldmaus an, „es reifen meine Abren; Vollauf kann ich mich wieder nähren.“ Die Sonne hört es an, scheint fort und — schweigt. J 1 —5 Karl Vilhelm Ramler nach Johann Gottlieb Willamov. 163. Das Moos. 1. Das Moos ist ein Zwergvolk in der Pflanzenwelt. Aber Großes verdanken wir dem Kleinen, wo ihm die richtige Stelle zu teil wird. Der Gärtner darf es nicht bei sich aufkommen lassen, sonst verschließt es seinen Blumen die Luft. Und der Landmann wird seine Wiese vor ihm bewahren, sonst verdrängt es ihm die Grassiöcke. Die Stätte, wo es in aller Stille die Fülle seines Segens ausbreitet, ist der Wald. Die Moosdecke des Waldes, deine Augenweide, dein Ruhepolster, sie dient noch einem viel höheren Zweck: sie erhält die dem Berg entquellenden Bäche und durch diese die Pflanzen im Tal und durch diese die Tiere und dich. 2. Es mag sein, daß dies manchem als Übertreibung erscheint. Er wird andrer Meinung werden, wenn er einmal in einer malerischen Schlucht, z. B. im Schwarzwald, einen tüchtigen Platzregen über sich ergehen läßt. Dort am Fuß eines steilen Hangs murmelt ein Bach, einzelne alte Tannen haben ihre Wurzeln zwischen losen 15 Blöcken in die Seite des Bergs getrieben und wehren sich gegen den Sturz in die Tiefe, zwischen den Stämmen und über die Wurzeln und Blöcke ausgebreitet liegt die Moosdecke. 3. Der Regen geht vorüber. Der Bach ist kaum merklich ge— stiegen, und der Abhang ist geblieben, wie er war, obwohl es in 20 Stromen geregnet hat. Warum? Denke dir den Abhang ohne Moos— decke. Wie haätte er dann nach dem Regen ausgesehen? Das Wasser hätte von der Oberfläche die Erde massenweise hinweggeschwemmt, wohl auch den einen oder andern Baum fortgerissen, und an manchen 5