91 100. Der Maikäfer. 1. Was ist das für ein brauner Geselle, der dort aus dem Boden hervorkriecht? Er ist müde von seiner Reise, denn er ist heute schon aus der Tiefe der Erde emporgestiegen. Ein Trepp¬ chen hat er sich dazu gegraben ohne Schaufel und Meißel. Das war keine leichte Arbeit. Darum ruht er jetzt ein wenig aus. Der hintere Teil seines Körpers steckt noch in der Erde, und nur der Kopf schaut hervor. Mit den beiden vordersten Füßen aber hält er sich fest über dem Boden. Jetzt kommt er voll¬ ends hervor, er breitet seine Flügel aus und schwirrt dem grünen Walde zu. 2. Wir alle kennen ihn, diesen kleinen Gast. Es ist der Mai¬ käfer. Er erscheint alle Jahre bei uns im Monat Mai. Oft kommt er in solchen Massen, daß er zur Last wird. 0, wie schlimm ergeht es dann dem jungen Laube der Eichen und den zarten Obstbäumen! Nichts schont er. Er ist ein rechter Nimmer¬ satt. Mit seinen hakigen Füßen hängt er sich fest an die Blätter und frißt mit den scharfen Freßzangen so lange, bis der Baum kahl ist. Einige Wochen lang treibt er sein schädliches Werk in unsern Gärten und Wäldern. Alsdann legt er seine Eier in die Erde und stirbt. 3. Die Kinder lieben diesen schlimmen Gesellen. Sie freuen sich, wenn er erscheint. Sie jagen ihm nach, wenn er an warmen Abenden durch die Luft schwirrt. Am Morgen aber, wenn er von der Nachtkälte starr geworden ist, schütteln sie ihn von den Bäumen. Sie erwärmen ihn mit dem Hauch ihres Mundes und lassen ihn darauf an einem rauhen Stab emporklettern. Bald breitet er seine Flügel aus und fliegt davon. Dann singen sie: „Maikäfer, fliege! Dein Vater ist im Kriege, deine Mutter ist in Pommerland. Pommerland ist abgebrannt, Maikäfer, fliege!“ Moritz Baron.