6 Frühling. 6. Nun hält's auch mich nicht mehr zu Haus, Maiglöckchen ruft auch mich; Die Blümchen gehn zum Tanz hinaus, Zum Tanze geh' auch ich! Heinrich August Ho ff mann von Fallersleben. 14. Das Samenkorn. Wer merkt's am Samenkorn so klein, Daß drin ein Leben könnte sein? Kaum hab' ich's in das Land ge¬ steckt, Da ist auch seine Kraft erweckt; Da dringt es aus der Erde vor, Da steigt es in die Lust empor, Da treibt's und wächst und grünt und blüht, Da lobt den Schöpfer, wer es sieht. Wilhelm Hey. 15. Wer nicht säet, wird nicht ernten. Es sind einmal in demselben Dorfe zwei Landleute gewesen, von denen der eine sehr tätig, der andere sehr träge und ein Müßig¬ gänger war. Als der Schnee auf den Feldern geschmolzen, das Eis aufgetaut und das Land durch die scharfe Märzluft trocken geworden war, zog der eine, der Fleißige, sogleich hinaus mit Pferden und Knechten, pflügte, säete und bestellte alles wohl auf seinem Acker. Und als der Sommer gekommen war, standen seine Äcker voll wogender Ähren; die Sicheln erklangen, Garben wurden gebunden und in Haufen gestellt; — der Fleißige erntete fleißig mit Gottes Hülfe. Der Müßiggänger hatte im Frühjahre gedacht: „Es ist immer¬ noch Zeit zum Säen; was soll ich mich jetzt schon anstrengen und mir Mühe machen; kommt Zeit, kommt Rat!" Er versäumte die beste Zeit; späterhin ließ er dieses und jenes Feld bestellen, manches aber gar nicht. Als nun die Zeit der Ernte kam, trugen die Äcker, auf die nicht gesäet war, Unkraut genug, aber kein Körnlein Gerste oder der¬ gleichen; auf den übrigen erntete er sehr wenig. — Es sind einmal in derselbigen Stadt zwei Knaben gewesen. Der eine war tIätig, der andere war träge und ein Müßiggänger. Jener benutzte den Frühling des Lebens, seine Jugend, gar wohl zum Erlernen alles Wahren und Guten und ward späterhin ein Mann, der Segen und Dank erntete. — Dieser, der Müßiggänger, versäumte und ver¬ träumte die Zeit seiner Jugend, erlernte nichts, übte seine Kraft nicht, blieb unwissend und töricht und ward späterhin ein Mann, der nichts erntete als Fluch und Elend. Hoffmann.