2 89 seiner Ansicht innerhalb seines Standes nicht allein stand. Die Ritter— schaft des Reiches trat damals Luther persönlich voll Anteil und Wohl⸗ wollen gegenüber. Sie fühlte sich durch sein Auftreten noch am meisten sympathisch angezogen. Sickingen bot dem Wittenberger Mönch sichere Zuflucht auf einer seiner Burgen an. Das war in diesem Augenblick don Bedeutung, denn noch wußte man nicht, daß sich in Deutschland kein Arm finden werde, die Reichsacht zu vollziehen. Mit Sickingen stand Hutten damals bereits in enger Verbindung; im Winter 1620—21 hatte er ihn auf der Ebernburg mit Luthers Schriften und Geist vertraut gemacht. 133. Wilhelm von Oranien und Egmont. Fr. von Schiller. Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande.) 1. Wilhelm von Oranien gehörte zu den hagern und blassen Menschen, wie Cäsar sie nennt, die des Nachts nicht schlafen und zu viel denken; vor denen das furchtloseste aller Gemüter gewankt hat. Die stille Ruhe eines immer gleichen Gesichts verbarg eine geschäftige, feurige Seele, die auch die hinter welcher sie schuf, nicht be— wegte und der List und der Liebe gleich unbetretbar war; einen viel— fachen, fruchtbaren, nie ermüdenden Geist, weich und bildsam genug, augenblicklich in alle Formen zu schmelzen; bewährt genug, in keiner sich selbst zü verlieren; stark genug, jeden Glückswechsel zu ertragen. Menschen zu durchschauen und Herzen zu gewinnen, war kein größerer Meister als Wilhelm; nicht daß er, nach der Weise des Hofs, seine Lippen eine Knechtschaft bekennen ließ, die das stolze Herz Lügen strafte, sondern weil er mit den Merkmalen seiner Gunst und Verehrung weder karg noch verschwenderisch war, und durch eine kluge Wirtschaft mit demjenigen, wodurch man Menschen verbindet, seinen wirklichen Vorrat an diesen Mitteln vermehrte. So langsam sein Geist gebar, so vollendet waren seine Früchte; so spät sein Entschluß reifte, so standhaft und unerschütterlich ward er vollstreckt. Den Plan, dem er einmal als dem ersten gehuldigt hatte, konnte kein Widerstand ermüden, keine Zufälle zerstören; denn alle hatten, noch ehe sie wirklich eintraten, vor seiner Seele gestanden. So sehr sein Gemüt über Schrecken und Freude erhaben war, so unterworfen war es der Furcht; aber seine Furcht waͤr früher da, als die Gefahr, und er war ruhig im Tumult, weil er in der Ruhe gezittert hatte Wilhelm zerstreute sein Gold mit Ver— schwendung, aber er geizte mit Sekunden. Die Stunde der Tafel war seine einzige Feierstunde, aber diese gehörte seinem Herzen auch ganz, seiner Faͤmilie und der Freundschaft; ein bescheidener Abzug, den er dem Vaterland machte. Hier verklärte sich seine Stirn beim Wein, den ihm fröhlicher Mut und Enthaltsamkeit würzten, und die ernste Sorge durfte hier die Jovialität seines Geistes nicht umwölken. Sein Haus— wesen war prächtig, der Glanz einer zahlreichen Dienerschaft, die Menge und das Ansehen derer, die seine Person umgaben, machten seinen Wohnsitz einem souveränen Fürstenhofe gleich. Eine glänzende Gast— freiheit, das große Zaubermittel der Demagogen, war die Göttin seines Benser u. Ruge, Lesebuch. 7. Aufl. 15 8