Gansberg: Ein Blick in die Unendlichkeit. 371 hineinschütten: Perücken, Krinolinen, Ritter- und Lands- knechte, die Reichsarmee und den Landsturm von 1813, Schiller und Goethe, den Dreißigjährigen Krieg mit seinen Kroaten und Panduren, die Völkerschlachten von Leiprig und Sedan, alles purzelt kopfüber in unser Dampfschiff hinein, und immer neue Ladungen kommen nach, bis endlich die letzten Schaufeln voll Aviatiker und Mandschusoldaten und Tripoliskämpfer das Jahr 1911 abschließen. Dann end- lich hat der Scehnelldampfer die ungeheure Fahrt beendet und kann im herrlichen Sonnenlande, im Zentrum unseres Planetensystems, rasselnd die Ankerkette niederlassen. Aber wer kann sich so lange Zeiträume vorstellen? Wir wübten nicht, wie viel ein einziges Menschenleben ümspannt an Lust und Leid, an Arbeiten, Abenteuern und Erinnerungen. Und hier sind hundert Menschenleben aneinandergereint. Das ist unvorstellbar. Wir müssen ein anderes, schnelleres Beförderungsmittel wählen. Den DZug. Er mübßte 190 Jahre ununterbrochen fahren. Im Jahre 1722 hätte er abfahren müssen; Prinz Eugen, der edle Ritter, hätte Zugführer werden können. Gäbt es nicht noch schnellere Beförderungsmittel? In Mirklichkeit nicht. So mũssen wir uns schon wie Münchhausen auf eine Kanonen- kugel schwingen in dem Augenblick, da sie die Mündung des Kanonenrohrs verläßt. Aber wir müssen fix bei der Hand sein, dürfen nicht lange in die Hände spucken und eins, zwei, drei zählen; denn wenn wir bis zwei gezählt haben, so ist die Kugel schon einen Kilometer weit entfernt und über viele Dächer, Häuser und Straßen dahingeschwirrt. Das ist eine Fahrt! Der Sturmwind braust wie unaufhörlicher Donner an unsern Ohren vorbei, Stock und Hut und unsere Rockschöbe reibt er fort, daß sie wirbelnd zurückbleiben. Kaum haben vwir bis zwei gezählt, so sinkt unsere Stadt Bremen hinter den Horizont, und wenn wir bis hundert ge— zãhlt haben, so tauchen ganz in der Ferne schon die Türme von Hamburg auf. Das ist eine famose Fahrt. In gut zwei Stunden sind wir rund um die Erclle herum, wobei wir natür- lich stillschweigend annehmen, daß die Kraft der Kugel nicht erlahmt, sondern unverändert fortdauert. Und nun geht's hinauf zur Sonne. Aber o weh, 914 Jahre muß die Kugel ununterbrochen mit der gleichen Geschwindigkeit wie zu Anfang dahinstürmen, ehe wir drüben kurz vor dem Auf—- prallen und Zerplatzen der Kugel mit einem graziösen Sprung unser seltsames Reitpferd verlassen. Hätten wir etwa irgend- 24*