Prosa. — — A. Erzũhlende Darstellung. Faheln und Parabeln; Inekdoten und Exzühlungen; Charukterbilder aus dem Leben und der Gelchichle. L1. Zeus und das Schaf. Das Schaf mußte von allen Tieren vieles leiden. Da trat es vor den Zeus und bat, sein Elend zu mindern. Zeus schien willig und sprach zu dem Schafe: „Ich sehe wohl, mein frommes Geschöpf, ich habe dich allzu wehrlos erschaffen. Nun wähle, wie ich diesem Fehler am besten abhelfen soll! Soll ich deinen Mund mit schrecklichen Zähnen und deine Füße mit Krallen rüsten?“ „O nein,“ sagte das Schaf, „ich will nichts mit den reißenden Tieren gemein haben.“ „Oder,“ fuͤhr Zeus fort, „soll ich Gift in deinen Speichel legen?“ „Ach,“ dersetzte das Schaf, „die giftigen Schlangen werden ja so sehr gehaßt!“ „Nun, was soll ich denn? Ich will Hörner auf deine Stirne pflanzen und Stärke deinem Nacken geben.“ „Auch nicht, gütiger Vater, ich könnte leicht so stößlg werden wie der Bock.“ „Und gleichwol,“ sprach Zeus, „mußt du selbst schaden können, wenn sich andere hüten sollen dir zu schaden.“ „Müßte ich das?“ seufzte das Schaf. „O, so laß mich, gütiger Vater, wie ich bin! Denn das Vermoͤgen schaden zu können erweckt, wie ich fürchte, die Lust schaden zu wollen; und es ist besser Unrecht leiden als Unrecht thun.““ — Zeus segnete das fromme Schaf, und es vergaß von der Stunde an zu klagen— Lessing. 2. Der wilde Apfelbaum. In dem hohlen Stamme eines wilden Apfelbaumes ließ sich ein Schwarm Bienen nieder. Sie füllten ihn mit den Schätzen ihres Honigs, und der Baum ward so stolz darauf, daß er andere gegen sich verachtete. Da rief ihm ein Rostenstock zu: „Elender Sltolz auf geliehene Süßigkeit! Ist deine Frucht darum weniger *Der Dichter legt nicht selten die Lehre und Nutzanwendung den in der Fabel auftretenden Tieren ꝛc. ꝛc. selbst in den Mund.