nach wie vor in Gnaden gewogen; doch dieser mochte von einer solchen Huld keinen Gebrauch machen. Er schlug die Stelle eines kaiserlichen Hof¬ malers aus, die ihm geboten wurde, und als Karl V. ihm eine silberne Schüssel voll Dukaten zum Geschenk übersandte, nahm er nur soviel davon, als er mit zwei Fingern fassen konnte, und schickte das übrige zurück. In seinem hohen Alter verließ Lukas Kranach alles, was er in der Welt besaß, um freiwillig das Gefängnis seines unglücklichen Herrn mit diesem zu teilen. Seine Frau war schon vor sechs Jahren gestorben; aber er hatte in Wittenberg Kinder und Enkel, Freunde und Verwandte, Haus und Hof. Alles dies achtete er nicht; sein ganzes Leben war jetzt einzig dem Bestreben geweiht, das unglückliche Los des von allen ver¬ lassenen Kurfürsten nach Kräften zu erleichtern. Er verließ ihn von nun an nie, ließ sich mit ihm von einem Gefängnis zum andern schleppen, betete mit ihm, las mit ihm die Bibel oder Luthers Schriften und führte ihn in heitern Stunden durch Übung seiner Kunst weit über die beengenden Mauern hinaus, die beide umschlossen hielten. So führten sie ihr stilles, frommes und trübes Leben unzertrennlich miteinander fort, bis im Jahre 1552 ihr Kerker geöffnet ward, und Lukas Kranach an der Seite seines fürstlichen Freundes und dessen ältesten Sohnes in Weimar einzog. Doch nur ein Jahr genoß er noch das teuer erkaufte Glück, seinen geliebten Herrn in Freiheit zu sehen und in seiner Nähe von allen geehrt und geliebt, wie er es verdiente, zu leben. Ein lebensmüder aber noch kräftiger Greis von einundachtzig Jahren ging er am 16. Oktober des Jahres 1553 in eine bessere Welt. Er ward auf dem Gottesacker der Sankt-Jakobuskirche in Weimar begraben. Der Leichenstein, mit dem sein Fürst den Hügel bezeichnete, unter dem seine Gebeine ruhen, steht jetzt neben demselben, der Kirchhofs¬ mauer eingefügt. Der alte Meister ist in Lebensgröße, die Palette in den Händen, darauf abgebildet, und eine lateinische Umschrift verkündet seinen Namen, sein Alter, sein Sterbejahr und die wohlerworbene Liebe seines Herrn, der wenige Monate später im nächstfolgenden Jahre mit ihm dort wieder vereint ward, wo keine Tränen Unterdrückter mehr fließen. I. Schopenhauer. 22. Adel, Bürger und Bauern im Reformationszeitalter. Der deutsche Geschichtschreiber Sebastian Frank veröffentlichte im Jahre 1534 ein Geschichtswerk unter dem Titel Weltbuch, worin er „aller Völker Namen, Gestalt, Leben, Wesen, Religion, Glauben, Zere¬ monien, Gesetze, Regiment, Polizei, Sitten, Gebräuche, Kriege, Gewerbe u. s. w." schilderte. Über den damaligen Zustand des Adels, der Bürger und der Bauern in Deutschland schreibt er: Der Adel, der nach Gottes Ordnung recht edel, eine Furcht und Rute der Bösen und eine Schildburg und Zuflucht der Frommen sein sollte, der Witwen und Waisen schützen sollte, ist und tut gerade das