309 — auch in Geschäftsbriefen gebraucht, und der Kaufmann ließ sie in seinen Siegelring eingraben, den er stets bei sich führte in dem den Stand kennzeichnenden breiten Gürtel, der auch das Geld bewahrte. Außer dem heimischen Münzgewirr hatte der Kaufmann mit den Geldsorten der fremden Reiche zu thun. Daher ließen sich Wechsler nicht entbehren, die den Umtausch besorgten und an ihm reichlich ver— dienten, auch andere Geldgeschäfte machten. Da viele von ihnen aus Italien stammten, hießen sie Lombarden. Sie waren allenthalben ver⸗ haßt, und die hansischen Städte ließen sie nicht gern zu; von den Kontoren waren sie gänzlich ausgeschlossen. Der Kaufmann hatte demnach so manche Mühe und Not, die ihm heute bei dem geregelten Weltgeldverkehr erspart ist. Man hat ihn glücklich gepriesen im Vergleich mit dem heutigen Kaufmann, der durch die Blitzesschnelle der Nachrichten von den entferntesten Enden der Erde keinen ruhigen Augenblick habe und einer ständigen Aufregung, einer nie abreißenden und aufreibenden Gedankenthätigkeit zum Opfer gesetzt sei. Ob das so ganz richtig ist? Der mittelalterliche Kaufmann mußte mit unendlich schwererer Sorge sein Schiff den Hafen verlassen sehen. Wie leicht fiel es, wenn nicht dem Sturm, Seeräubern zur Beute; es konnte in der Fremde vieler Unbill ausgesetzt sein, vor der jetzt das Völker— und Handelsrecht schirmt. Beanspruchten doch die Staaten im Kriegs— fall, auch fremde Fahrzeuge für sich zu verwenden. Wochen, selbst Monate vergingen, ehe er Nachricht erhalten konnte; und die gemachte Rechnung schlug vielleicht fehl, weil sich die sehr stark schwankenden Preise inzwischen verändert hatten. Gelang alles glücklich, war aller— dings der Gewinn einer einzigen Fahrt meist sehr viel höher, als er heute zu erzielen ist. Aber das Rad der Fortuna drehte sich damals nicht langsamer. Bekanntlich sind große Geldvermögen nicht sehr dauer— haft und halten kaum Geschlechter lang aus. Schnell genug machten große Häuser anderen Platz, und nur selten haben durch ihren Reichtum berühmte Familien lange dem Schicksalswandel getrotzt. Oft geschah es nur durch den Grundbesitz, den sie als Kapitalanlage erworben hatten. Dafür haben strebsame arme Jünglinge ihr Glück gemacht. Die auswärtigen Kontore, namentlich die mühevollsten in Bergen und Now⸗ gorod, waren nicht nur die hohe Schule für den Kaufmannsstand, dort