Die neue Heimat im Osten. 315 Im Pachtvertrage werden zugleich die Bedingungen festgesetzt, unter denen der Pächter nach Ablauf der Pachtzeit oder auch vorher die Stelle als Eigentum erwerben kann. Die Pachtstellen werden nur ausnahmsweise gebildet und sind in der Regel nicht größer als 560 Morgen. Sie sind für Ansiedlungs— lustige mit nachgewiesener landwirtschaftlicher Tüchtigkeit und mit kleinem Vermögen, das zum Erwerb einer Stelle zu Eigentum nicht ausreicht, bestimmt. Aufmerksam hatten Karl und seine Frau zugehört. „Ihr habt nun einen ganz hübschen Pfennig Geld in der Hand. Karl, fahr selbst und sieh einmal zu. Die Kommission zahlt sogar noch eine Reise— kostenbeihilfe. Viel wagst du nicht und bleibst immer im deutschen Vaterland. Wenn dann der Weg nicht zu weit ist, sehe ich mir deine neue Heimat auch ganz gewiß noch einmal an; denn unser Zweiter muß auch aus dem Hause, beide Buben kann unser Hof nicht ernähren.“ So wurde Karl Becker als Kundschafter nach dem Osten ge— schickt; und als er nach reichlich einer Woche wieder heimkam, da war sein erster Gang mit seiner Frau am Abend zum Gemeinde— vorstand. „Wie steht's?“ fragte der. „Ich glaube gut, ich bin vorvor— gestern Ansiedler auf Wilhelmshof, Kreis Wongrowitz, geworden.“ „Na, Junge, das freut mich, erzähle!“ Nun berichtete Karl von seiner langen Fahrt. In Posen hatte ihn der Beamte der Ansiedlungs— kommission freundlich angehört, ihn dann an Karten geführt und gemeint: „Hier liegt Wilhelmshof. Das ist kein schlechter Platz, sehen Sie sich's selbst an. Wenn Sie wollen, werde ich sofort unsern Gutsverwalter benachrichtigen.“ Am andern Tag war dann Karl noch eine Stunde mit der Kleinbahn weiter gefahren. Auf Station Popilwo hatte ihn der Gutsverwalter, der die Geschäfte der Auf— teilung leitete und die Ansiedler beriet, mit dem Gutsgespann ab— geholt und war mit ihm auf guter Straße ein Stündchen zur An— siedlung Wilhelmshof gefahren. Da hatte denn Karl die Augen ordentlich aufgemacht. Die Gegend war ja eben, aber schönes Acker— land, Roggen- und Weizen-, stellenweise auch der reine Zuckerrüben— boden. Sie waren dann durch das ganze Gut gegangen, und Karl hatte seine ganze traurige Geschichte erzählt. Dann war der Ver— walter stehengeblieben und hatte gemeint: „Hier, Herr Becker, die Stelle Nr. 33 wäre etwas für Sie. Dahier an die Straße kommt das Haus; dort liegt die Wiese, hier die 22 ha Ackerland. Alles ist fein dräniert. 445,23 Mark jährliche Rente ist ja ein ganzes Stück Geld, aber bei Fleiß und Tüchtigkeit wirtschaften Sie das bequem heraus. Namentlich mit Viehzucht ist was zu machen; der Boden ist kleefähig.“ Dann wurden die Felder abgeschritten. Die Winter— frucht stand vorzüglich, Gerste und Hafer hätten etwas besser sein können, doch die würden sich schon noch machen. „Und das Wohn— haus?“ fragte Karl Becker. „Das bauen Sie selbst auf den grünen