79. Die See als Walstatt beim Wettbewerb der Völker. 263 Strom mit der Hast des Blitzes Nachrichten tief am Seegrunde von Erd⸗ teil zu Erdteil dahinträgt, bei weitem nicht mit jener willenlosen Ohn⸗ macht und sklavischen Abhängigleit gegenüber wie einer Summe anderer Vaturerscheinungen. Der nach uralten Gesetzen kreisende Wechsel der Beleuchtung und Erwärmung des Erdkörpers, die riesenhaften Kraft⸗ ãäußerungen der Vulkanausbrüche und Erdbeben, die machtvollen Wel⸗ lenschläge der Luftsurmungen:; sie alle sind für unser Zeitalter der angewandten Naturwissenschaften noch die gleichen unbeugsamen Ti⸗ tanengewalten, welche sie einst dem grauesten Altertume gewesen. Wir neuzeitlichen Menschen vermögen sie daher auch nicht anschaulicher zu lennzeichnen, als es einst unsere phantasiekräftigen Ahnen getan haben. als übermächtige Riesengestalten, deren Kraft und Laune wir ohne Widerstand erliegen müssen. Noch immer messen die Feuer— und Frostriesen der germanischen Göttersage ihre unbändige Stärke an uns, wie erst jüngst die Kata— strophe von Martinique in grausiger Deutlichkeit bewies. Aber die uralte Midgardschlange, der die Erdfeste umwallende und in sich selbst zurückfließende Ozean, hat trotz aller Größe ihre Schrecknisse nunmehr zum gulen Teile eingebüßt. Wohl ist ihr noch die alte unberechen— bare Treulosigkeit und gleißende Tücke eigen; wohl bäumt sie sich, dom Sturm gereizt, wie vordem zornentbrannt auf, schlägt ihre Zähne knirschend ins Küstenland und fordert in namenloser Wut Hunderte von Menschenleben und Tausende an Menschengut. Aber ihre einstige mythische Zauberkraft hat ihr der Menschengeist doch entrissen. Sie ist längst nicht mehr scheu gemieden. Ihr unermeßlich breitgewölbter Rücken ist im Gegenteil trotz aller Gefahren zu einem unvergleichlichen Schauplatz friedlichen Wettbewerbs geworden zwischen der alten und neuen Welt, im eisumpanzerten Norden wie im sonnendurchglühten Süden, bei den Nalurvöllern der Stillen See wie bei den Kultur— völkern um den Atlantischen Ozean. Erst seitdem der Mensch Herr des Meeres ist, hat das verheißungsvolle Bibelwort seine Erfüllung gefunden, daß ihm die Erde untertan sei. BHeute ist das Weltmeer Gemeingut der Völker geworden. Es ist das weitausgespannte Feld, wo sich tüchtige und kaufkräftige Völker in friedlicher AÄrbeit nebeneinander bewegen. Jedem von ihnen ge⸗ währt es Raum, so viel ihm nach seiner wirtschaftlichen Leistungs⸗ fähigteit und politischen Macht zukommt. Auf dem Ozean liegt die Walstatt eines lautlosen, aber um so emsigeren und erfolgreicheren Wetibewerbs, wie er keinem anderen großen Striche des Erdballs mehr zu eigen ist. Das Meer hat nicht bloß von jeher zum unentbehrlichen Besitz- bereiche hervorragender Völler gehört. Es hat vielmehr die meisten