Vom Ackerbau. 141 Mit Nachbar Helmreich ist das ein eigen Ding. Was ein rechter Landwirt sein will, der muß Hände haben voll Schwielen, die da sagen: „Wir arbeiten!“ Aber sie müssen sich auch zum Gebet zusammen finden. Von dem Fortschritt in der Landwirtschaft halt' ich nichts, da man meint, unser Herrgott könne sich nicht um eines jeden Bauern Raps— feld bekümmern. Die Natur sorge für sich selber, und das andere — von Gottes Güte und Allmacht und Weisheit — wär' Schnickschnack und das Beten nur für Kinder und Weiber. „Bete, als hülfe dein Arbeiten nichts, und arbeite, als hülfe dein Beten nichts.“ Das muß eines rechten Bauern Losungswort sein. Ich hab', solang ich denken kann, meinen Säespruch hergesagt, wenn ich meinen Samen ausstreute: „Wir säen und wir streuen den Samen auf das Land; doch Wachstum und Gedeihen steht in des Höchsten Hand!“ Und das muß sein. Denn Sonnenschein und Regen und Wärme und Kälte, die unsern Fluren Segen spenden, sind unsers Herrgotts Handlanger. Ohne sie kann auch der tüchtigste Landmann nichts aus— richten, und wär' er noch so fleißig. Unser Nachbar Helmreich hält's zwar auch noch mit dieser Sitte. Aber sein Sprüchlein muß wohl nicht das rechte sein. Oder das Herz ist nicht dabei, wenn die Lippen reden. Denn als im verflossenen Jahre seinen Fluren der Segen ausblieb, da machte er den lieben Herrgott mit seiner schlechten Witterung für den Schaden verantwort— lich. Und das war nicht recht. Regen und Sonnenschein waren ge— kommen zu ihrer Zeit, und nicht nurx für unsere Acker allein. Und da konnten doch die Halme kaum die Ahren tragen mit all dem Körner— segen darin. — Arbeiten thut unser Nachbar ja wie kaum ein andrer im Ort. Müht und plackt er sich doch vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Schau nur, wie gebückt er geht vom vielen Quälen und Schaffen. Aber mit seiner Arbeit hat's seinen Haken wie mit seinem Sprüchlein. So wie unser Nachbar in der Sitte am Alten hängt, so thut er's auch in seiner Arbeit. Er bewirtschaftet seinen Grund heute noch gerade so, wie er's vor 60 Jahren von seinem Vater gelernt hat, und der trieb's noch wie der Großvater. Und das ist gefehlt. Wie's der Vater und Großvater gemacht haben, das hat vielleicht ausgereicht zu ihrer Zeit. Unsere Zeit ist aber eine andere und stellt auch andere Anforderungen an den Landwirt wie an den Handwerker. Wer das nicht glauben will, der sehe nur auf die großen Fortschritte, welche die Landwirtschaft im Laufe der letzten Jahrzehnte gemacht hat. Ich will sie in Kürze an— deuten: die allgemeine Verbreitung des Kartoffelbaues, welchem Millionen ihren Lebensunterhalt verdanken; die Einführung der Stallfütterung mit dem Klee-, Luzerne-, Esparsette- und Runkelrübenbau, wodurch sich der Viehbestand verdoppelt und verdreifacht hat; die Einführung