223 * des preubischen Staates, die letzte und beste Bürgschaft für seine Dauer. Die kunstvolle Maschineé, die der grobe König mit so viel Geist und Tat— kraft eingerichtet hatte, sollte nicht ewig bestehen, schon zwanzig Jahre nach geinem Tode zerbrach sie; aber dab der Staat nicht zugleich mit ihr unter— ging, dab Einsieht und Vaterlandsliebe der Bürger selbst imstande varen, nter seinen Nachfolgern auf neuen Grundlagen ein neues Leben zu schaffen, das ist das Geheimnis von Friedrichs Gröbe. 11. Seydlitz, der kühne Reiter. August Varnhagen von Ense. 1. Wie unter dem alten Dessauer die kleine Wiese bei Halle der Lehr— boden des preußischen Fußvolkes geworden war, so wurde später Ohlau die Pflanzschule der preußischen Reiterei. Seydlitz' eigenes Regiment erhob sich als das Vorbild aller anderen. Von der geringsten Ubung der Waffen, dem kleinsten Anfange des Reitens bis zu dem vollständigen Felddienste und den wichtigsten Ausführungen im großen war alles von ihm streng angeordnet, genau beaufsichtigt, in folgerichtigem Zusammenhange erhalten. Das ganze Regiment, Küraffiere und Offiziere, ritt in gleichmäßiger Weise, nach einer und derselben Vorschrift, rasch, leicht, gewandt, mit größter Kühnheit und Sicherheit. In der heftigsten Bewegung mußten die einzelnen Reiter wie die ganze Schwadron die vollkommenste Gewalt über sich haben, jedem Winke des Befehls augenblicklich folgen können, den vollen Ungestüm der Rosse loszulassen und zu beherrschen wissen. Die Verwegenheit des Reiters wurde bis zur Tollkühnheit getrieben und kein Unglücksfall geachtet. Die Einweihung der Neulinge geschah durch harte Prüfungen. Kam ein rüstiger Bursche als Rekrut, oder trat ein derber Junker ein — denn Unansehnliche und Schwache fanden keine Aufnahme —, so wurden sie auf ungezähmte Pferde gesetzt und mit diesen im Dahinrennen über Stock und Stein dem Schicksale preis— gegeben; wer den Hals brach oder sonst zu Schaden kam, von dem war welter nicht die Rede. Wer diese erste, wilde Probe bestand und sitzfest und unverzagt blieb, der wurde zu geregelteren zugelassen. Hieraus ergab sich bald, daäß im Regimente und besonders in der ersten Schwadron nur die erlesensten, mutigsten Reiter zu sehen waren, und jeder Kürassier im stolzen Bewußtsein seines Wertes die Art und das Ansehen eines Offiziers hatle, dem Offizierkorps (spr.? .. kohr) aber kein anderes zu vergleichen war. Die schönsten und tüchtigsten Junglinge aus den vornehmsten Häusern des In- und Auslandes drängten sich zu diesem Regimente, und da die be— schränkte Zahl der Offizierstellen für die Menge nicht ausreichte, so mußten biele sich begnügen, nur als Freiwillige einzutreten. Die jungen Edelleute, reich ausgestattet, kraftvoll und eifrig, wetteiferten in strengen Leistungen, die leicht wieder zu einer Art Üppigkeit wurden; der Ruhm, die schönsten Pferde zu haben, stellte sich neben den, sie am kühnsten und geschicktesten zu gebrauchen, der Glauz und Schmuck einnehmender Erscheinung neben den ehrbaren Stolz kriegerischer Haltung. 2. Die kühnen Reiterübungen, die Seydlitz auch für sich fortsetzte, und bei denen er selber alles wagte und ausführte, was er seinen Untergebenen zu leisten auferlegte, liefen nicht immer glücklich für ihn ab. Er hatte im Jahre 1765 bei Kissa, wo der König Truppenschau hielt, den Unfall, mit dem Pferde so gefährlich zu stürzen, daß er im ersten Augenblicke für tot gehalten wurde und längere Zeit ohne Bewußtsein blieb. Der König kam schleunigst herbei, stieg vom Pferde und freute sich der Nachricht, daß wieder Lebens—