195 braten und elendiglich umkommen zum Sohn ihrer Ubelthaten. Gretel aber lief zum Ransel, ließ den aus dem Gänsestall, und der kam heraus und fiel vor Sreude dem treuen Schwesterchen um den Aals, küßten sich und weinten vor Sreude und dankten Gott. Und da war das weiße vöglein wieder da und auch viele andre waldvöglein; die flogen auf das Kuchendach des Häusleins, darauf war ein Nest, und daraus nahm jedes vöglein ein buntes Steinchen oder eine perle und trugen sie hin zu den Kindern, und Gretel hielt fein Schürzchen auf, daß es alle die vielen Stein- chen fasse. Das schneeweiße Vöglein sang: „perlen und Edelstein, 5ür die Brotbröselein." Da merkten die Kinder, daß die Vöglein dankbar dafür waren, daß Aänsel Brotkrumen auf den U)eg gestreut hatte, und nun flog das weiße Vöglein wieder vor ihnen her, daß es ihnen den N)eg aus dem Ivalde zeige. Bald kamen sie an ein mächtiges Ivaffer, da standen sie ratlos und konnten nicht weiter und nicht darüber, plötzlich aber kam ein großer schöner Schwan ge¬ schwommen, dem riefen die Kinder 311: „(D schöner Schwan, sei unser Kahn!" Und der Schwan neigte seinen Kopf, ruderte zum Ufer unb trug die fund er eins nach dem andern hinüber ans andre Ufer. Das weiße vöglein aber war schon hinüber ge¬ flattert ilnd flog immer vor den Nindern her, bis sie endlich aus dem Ivalde kamen und wieder an der Eltern kleines Aaus. Der alte Holzhauer und feine Srau faßen traurig und still in dem engen Stüblein urtb hatten großen Kummer um die Kinder, bereuten auch viel tausendmal, daß sie dieselben fortge¬ lassen, und seufzten: „Ach, wenn doch Hansel und das Gretel nur ein allereinzigesmal wieder kämen, ach, da wollten wir sie nimmer¬ mehr wieder allein im Ivalde lassen!" — Da ging gerade die Thüre auf, ohne daß zuerst angeklopft worden wäre, und Günsel und Gretel traten leibhaftig herein! Das war eine Sreude! Und als nun vollends erst die kostbaren perlen und Edelsteine zum Vor¬ schein kamen, welche die Kinder mitbrachten, da war Sreude in allen Ecken, und alle Not und Sorge hatte fortan ein Ende. Ludwig Bechstein. 13*