105ß — genossen sie die volle Freiheit, welche sie sich ruhmvoll erkämpft hatten; hier aber gaben sie sich auch einem kläglichen Eigennutz hin, spielten die Herren und betrachteten die Bauern anderer Lãuder, ja den nächsten Nachbar, keineswegs als ihresgleichen. Am andern Ende von Deutschland erhielten sien die Bauern ebenfalls frei, und in den Marschländern wurden sie wenigstens von ihren Herren geschont, so dass sich hier ein kräftiger Schlag Men- schen erhielt. Aber diese lebten nur ganz still und von der übrigen Welt abgesondert ihrer Viebzucht und ihrem Ackerbau in patriarchalischer Einfalt. Die breite Mitte und der ganze Osten Deutschlands war von Sklaven angefüllt, die weder Ehre, noch Reichtum, noch Bildung besassen, die, was sie arbeiteten, sogleich Adel, der Geistlicheit und der fürstlichen Kammer verschlungen sahen. Vor alters, da das Geld noch selten wvar, gaben die Bauern (ausser dem Kirchenzehnten) dem Ritter den natürlichen Zins aus dem Grund und Boden, der ihm gehörte und den er ihnen zu Nutzniessung überliess, also vom Acker etwas Getreide, Plachs, Obst, von der Wiese und Viehhberde ein Stück Vienh, vom Hause und Herde (Rauchfang) gewöhnlich eine Henne (Rauchhenne), Eier u. s. w. Ausserdem leistete der Bauer dem Ritter Eronen, d. h. Hand- und Spanndienste, Handarbeit oder Zufuhr bei Bauten u. s. w. Alle diese Abgaben und Dienste waren noch vor alters mãässig. Der Ritter bekam, was er brauchte; er brauchte aber noch nieht viel, und es war noch wenig oder gar keine Gelegen- heit, Naturalabgaben zu verkaufen oder sich von den Bauern statt derselben Geld geben zu lassen. Erst nach und nach stiegen die Bedürfnisse des Adels, und nun lernte derselbe auch, die Abgaben und Dienste des Bauern zu vermehren und zugleich zu Gelde zu machen. Die Bauern empörten sien gegen den ungewohnten Druck, dies lioh aber dem Adel nur den gewünschten Vorwand, sie noch härter zu drücken. Die Eronen wurden villkürlich vermehrt. Im sechzehnten Jahrhunderte mussten die brandenburgischen Kurfürsten den Adel desfalls ausdrücklich einschränken und den strengen Befehl er— teilen, dass kein Bauer gezwungen werden sollte, mehr als zwei Tage in der Woche zu fronen. Am lästigsten wurden die Jagd- fronen, wobei der Bauer sein eigenes Feld niedertreten musste, um dem gnädigen Junker den Hirsch jagen zu belten. Auch zu den lãstigsten, kelhaftesten und wunderlichsten Diensten, die ihnen die Laune des Herrn bèfahl, 2. B. dem Peitschen des Wassers bei Nacht, mussten sieh die Bauern hergeben. Uberdies wurden die Fronen käuflich, und wer sie nieht persönlich leisten mochte oder konnte, musste dafür bezahlen. Die Naturallasten wurden ebenfalls vermehrt nach Raum und Zeit. Jedes FPleckchen Land, jeder Winkel des Hauses musste unter neuen, oft höecbst wunderlichen Namen, einen neuen, beson- dern Zins bezahlen. Jede Jahreszeit oder jeder Wechsel in den