M J J 35 ihren Gedanken zu machen pflegen, daß es die ganze Gasse hören konnte: „Heut geh' ich zum Herrn Paten! Heut geh' ich zum Herrn Paten!“ Ungehalten über den argen Schreihals, wollte sein Vater ihm wehren. Aber ehe er noch das verquollene Fenster aufbringen konnte, war der kleine Sänger schon zum Tempel hinein und — kehrte nach einigen Augenblicken als Friedensbote wieder zurück. Statt des Olzweigs hatte er einen geschenkten Eierring in der Hand und rief, über die Schwelle in die Stube herein stolpernd: „Der Herr Pate läßt Vater und Mutter recht schön grüßen, und ich soll bald wiederkommen.“ Noch an dem nämlichen Abend wechselten die Nachbarsleute einige freundliche Worte über die Gasse, am folgenden saßen die weiße und die gelbe Schürze wieder auf der grünen Bank beisammen, am dritten zeigten die Weiber einander die Leinwand, zu der sie in den bösen drei Jahren oft mit ihren Tränen über den unseligen Zwist den Faden genetzt hatten. Und es war hohe Zeit, daß der Herr den Friedensboten erweckt hatte. Denn einige Wochen darauf verfiel der Bäcker unerwartet schnell in einen Nervenfieberschlaf und aus diesem nach wenigen lichten Augenblicken in den Todesschlummer. — Gott geb' ihm eine fröhliche Auferstehung! 24. Wie man Diebe fãngt. von Emil Frommel. Aus der Sommerfrische. Erzahlungen. Berlin 1877. 8. 58. 9 Jahre 1836 saß ein alter Seekapitän in seinem schönen Landhause, ein halb Stündlein von der holländischen Stadt Haarlem. Und warum sollte er auch nicht dort sizen? Hatte er doch vierzig Jahre draußen Sturm und Wetter über sein Haupt gehen lassen, und sein Gesicht sah so verwittert aus wie eine alte Felswand. Er rauchte vom feinsten Kubatabak aus seinem echten türkischen Kopf und trank dazu langsam aus der japanischen Tasse seinen Mokkakaffee, dachte an seine Fahrten auf fremden Meeren und freute sich, daß er das Seine im Frieden ge⸗ nießen konnte. Denn drinnen im Hause war alles aufgestapelt aus allen fernen Ländern und Silber und Gold dabei in schweren Truhen. Sein Diener, den er nach Haarlem geschickt hatte, einzukaufen, war noch nicht Dieder aus der Sitadt zurück; aber die Sonne ging unter, die feuchten holländischen Nebel stiegen herauf, und der alte Herr dachte: „Du willst doch in deinem Alter nicht noch den Schnupfen kriegen,“ verschloß die Türen, klopfte seine Pfeife aus und legte sich ins Bett. Er mochte wohl so im ersten Schlummer liegen und träumen von den Chinesen und ihren geschlitzten Augen und langen Zöpfen, da hörte er am Fenster so etwas bohren, als ob einer statt durch die Haustür durchs Fenster kommen wolle. Er steht auf und kann auch deutlich merken, daß einer am Fenster ist, der ihm nächtlings unangemeldet einen Besuch machen will, notabene weniger dem alten Seemann selber als seinen