68 herab; aber dann schwingt sie sich in die Höhe nach Norden, verläuft über München, Frankfurt a. M., schließt Hannover, Hamburg und die ganze dänische Inselflur ein und schweift längs der Westküste Norwegens, dieser im Winter eisfreie Häfen sichernd, bis weit ins Polarmeer hinein, zuletzt nach der Südküste Islands ausbiegend. Eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so auffällige Abweichung nach Norden finden wir auf der Karte, elche die mittlere Jahreswärme Europas darstellt, an der 100 C. Linie. Sie verläuft ebenfalls längs der Nordküste des Schwarzen Meeres, folgt don Odessa dem Zuge der Karpaten, schließt Böhmen ein, schweift dann zurück südwärts nach Wien und läuft dann über München, Frankfurt a. M., Koln und London, also nach Nordwesten, ebenfalls den Südwesten Europas als ein klimatisch begünstigtes Gebiet kennzeichnend. Anders ist der Ver— lauf der Wärmelinen für den Juli. Die 200 C.-Linie läuft über Bordeaux, Paris, Mainz, Straßburg und Prag, trennt also den größten Teil des südlichen Deutschlands von dem nördlichen ab, biegt dann aber nach Nordosten aus und umspannt sogar noch die viel nördlicher gelegene russische Siadt Nischni-Nowgorod. Es muß uns im ersten Augenblick auffällig erscheinen, daß diese 200 C.Linie des Juli so wenig mit der Nordgrenze des Weinbaus in Europa und auch in Deutschland überein⸗ fümmt. Sie umfaßt in Osteuropa weite Landstrecken, in denen an einen Weinbau nicht im entferntesten gedacht werden kann, wo die eisige Kälte des Winters den Weinstock tötet. Auderseits läßt sie wichtige Weinbau⸗ gebiete Deutschlands, so die ganze Rheinprovinz und das Main⸗ und Neckar— land, außerhalb liegen. Hieraus erkennen wir, daß es nicht in erster Linie die sommerliche Hitze ist, die die klimatische Vorbedingung für den Weinbau bidet, sondern, allerdings in Verbindung mit genügender Sommer⸗ Parnie, ein milder Winter und ein mit diesem von selbst verknüpfter schöner und langer Herbst. Woher kommt es nun aber, daß der ganze Westen Europas troß einer geringern Sommerwärme doch im Laufe des ganzen Jahres ein höheres Maß von Wärme empfängt, wie aus dem Verlauf der 100 C.-Linie mittlerer Jahreswärme hervorgeht? Die große Wärme— quelle, der Westeuropa einen schönen Herbst und einen milden Winter berdankt, und auf der auch die Möglichkeit des deutschen Weinbaus beruht, ist der Atlantische Ozean, der von dem warmen Golfstrom durchwärmt wird. In den Sommermonaten mildert zwar dieses große Wasserbecken quch die Hitze; aber der dann dem Osten Europas gegenüber eintretende Warmeverluft ist nicht so hoch, anzuschlagen als die günstige Wirkung, heitere und sonnige Herbsttage auf das völlige Reifen der Trauben ausüben. Nachdem wir hiermit die Möglichkeit des Weinbaus in einem so nördlich gelegenen Lande, wie es Deutschland ist, erklärt haben, wollen wir nun auch zu zeigen versuchen, auf welchen natürlichen Ursachen die auffallend hohen Leistungen des deutschen Weinbaus beruhen. Nicht an letzier Stelle liegen diese zwar in der sorgfältigen Pflege, die der deutsche Winzer dem Weinstock zukeil werden läßt, begründet; doch haben sie auch naturliche Ursachen. Für den Weinbau werden in Deuischland meistens die der Sonne zugekehrten Berggehänge benutzt. Man spricht daher ge— wöhnlich von Weinbergen, nicht von Weingärten. Weinpflanzungen, die