36— 2. Vorüber wandl' ich am Garten⸗ zaun: Schon säumet mit Grün sich die Hecke, Schon schwellen die Knospen so saftig braun, Schon keimt's in der heimlichsten Ecke. Die Primel, sie wärmt sich im Sonnenschein, Das Veilchen, es duftet am schattigen Rain, Und alle die Blümchen, sie stimmen mit ein: Wir feiern die fröhlichsten Ostern! 3. Nun wall' ich hinaus in das sonnige Feld, Da girrt es und schwirrt in den Zweigen; Der Buchfink baut sich sein luftigGezelt, Und die Lerche lobsinget im Steigen, Und die Vögelein all' auf dem Berg und im Thal, Sie stimmen die Kehlen zum Früh— lingschoral, Sie grüßen mich munter und rufen zumal: Wir feiern die fröhlichsten Ostern! 4. Da hör' ich von ferne noch helleren Klang: Die Kinder, sie tanzen den Reihen. Die dumpfige Stube verschloß sie so lang', Nun spielen sie wieder im Freien. Die munteren Füllen, entsprungen dem Stall, Sie schlagen den Reif, und sie werfen den Ball, Sie tummeln sich lustig und rufen mir alln Wir feiern die fröhlichsten Ostern! 5. Doch abseits an der Linde auf hölzerner Bank Da sitzet ein Paar, sich zu sonnen: Die Tochter, sie führet die Mutter, so krank, Die heute dem Lager entronnen. Wie wärmt ihr die Sonne das matte Gebein, Wie schlürft sie die Lüfte, die laben-⸗ den, ein! Vier Augen leuchten in seligem Schein: Wir feiern die fröhlichsten Ostern! 6. Nun aber hör' ich in festlichem Chor Vom Turme die Glocken erschallen; Still tret' ich mit ein in das heilige Thor, Da braust's durch die dämmernden Hallen: Der Herr inf erstanden aus Grabesnacht, Der Tode it verschlungen der Sieg ist vollbracht! Lobsinget, ihr Christen, und jauchzet mit Macht: Wir feiern die fröhlichsten Ostern! 7. Und als ich trat aus dem Gotteshaus, Da grünten die Gräber im Kreise; Da sucht' ich mir eines, mein teuerstes, aus; Dort stand ich und betete leise. Da säuselt in Lüften ein seliger Klang, Wie wenn sein Gefieder ein Engelein schwang; Da tönt es hernieder wie Seraphs— gesang: Wir feiern die fröhlichsten Ostern! K. Gerok. 34. Betrachtungen über ein Vogelnest. Ein Künstler mag mit seinen Instrumenten nach manchem miß— lungenen Versuche zuleßt etwas herausbringen, das einem Finkenneste gleichsieht, und alle, die es sehen, können es von einem wirklichen Neste, das der Vogel gebaut hat, nicht unterscheiden. Alsdann bildet sich der Künstler etwas ein und meint, jetzt sei er auch ein Fink. Guter Freund,