— 208 — herrn als auch vom Lehrling ohne alles weitere aufgelöst werden. Der Lehrvertrag gilt dann als nicht geschlossen. Wie aber, wenn der Lehrling Kost und Wohnung beim Mei— ster hat und ersterer läuft innerhalb der Probezeit einfach von der Lehrstelle weg? Dann ist doch der Lehrherr geschädigt? Gewiß käme er in Schaden. Deswegen wird die Art und die Höhe der Entschädigung für diesen immerhin möglichen Fall in den Lehr— vertrag aufgenommen. Auch aus diesem Grunde sollte der Lehrver— trag möglichst bald geschlossen werden. Die sechswöchentliche Probezeit wurde Anton in die Lehrzeit eingerechnet. Die einzige Verpflichtung, die der Lehrling durch den Lehr— vertrag auf sich nimmt, ist die, daß er seinem Lehrherrn Folgsamkeit und Treue, Fleiß und anständiges Betragen verspricht. Anton war ein guter Lehrjunge, so daß er nie von meinem Vater gezüch— tigt werden mußte. Jeder Lehrling ist nämlich der väterlichen Zucht seines Lehrherrn unterworfen. Wöchentlich zweimal besuchte Anton die gewerbliche Fortbil— dungsschule, jeden Sonntag die hl. Messe und die Christenlehre. Das Wirtshaus aber kannte er nur von außen. Er wußte, daß Lehrlinge unter 16 Jahren nur unter Aufsicht der Eltern oder an— derer erwachsener Personen das Wirtshaus besuchen dürfen, der Be— such von öffentlichen Tanzbelustigungen aber auch in Begleitung dieser Personen verboten ist. Anton arbeitete den ganzen Tag fleißig in der Werkstätte. Er mußte nie die Kinder warten oder zur Zeit der Ernte auf dem Felde helfen. Lehrlinge, die im Hause des Meisters weder Kost noch Wohnung haben, dürfen zu häuslichen Dienstleistungen über— haupt nicht herangezogen werden, die übrigen Lehrlinge nur in— soweit, als ihre Ausbildung nicht darunter leidet oder ihre Sonn— tagsruhe nicht geraubt wird. Mein Vater sah strenge darauf, daß Anton nie von seiten der Gesellen oder älterer Lehrlinge mißhandelt wurde und keine Arbeiten verrichten mußte, welche seinen körperlichen Kräften nicht angemessen waren. Hätte Anton während der Lehrzeit, vielleicht im zweiten Lehr— jahr, zu einem anderen Gewerbe übergehen wollen, so wäre eine schriftliche Erklärung hierüber von Antons Vater dem Meister vor—