186 Das böse Weib aber, als es nach Hause gekommen war, ging vor den Spiegel und fragte: „Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die Schönste im ganzen Land?" Da antwortete er wie sonst: „Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier, Aber Sneewittchen über den Bergen Bei den sieben Zwergen Ist noch tausendmal schöner als Ihr." Als sie das hörte, lief ihr das Blut zum Herzen, so erschrak sie, denn sie sah wohl, daß Sneewittchen wieder lebendig geworden war. „Nun aber," sprach sie, „will ich etwas aussinnen, das dich zugrunde richten soll," und mit Hexenkünsten, die sie verstand, machte sie einen giftigen Kamm. Dann verkleidete sie sich und nahm die Gestalt eines andern alten Weibes an. So ging sie hin über die sieben Berge zu den sieben Zwergen, klopfte an die Tür und rief: „Gute Ware feil! feil!" Snee¬ wittchen schaute heraus und sprach: „Geht nur weiter, ich darf niemand hereinlassen." „Das Ansehen wird dir doch erlaubt sein," sprach die Alte, zog den giftigen Kamm heraus und hielt ihn in die Höhe. Da gefiel er dem Kinde so gut, daß es sich betören ließ und die Tür öffnete. Als sie des Kaufes einig waren, sprach die Alte: „Nun will ich dich einmal ordentlich kämmen." Das arme Sneewittchen dachte an nichts und ließ die Alte gewähren, aber kaum hatte sie den Kamm in die Haare gesteckt, als das Gift darin wirkte, und das Mädchen ohne Besinnung nieder¬ fiel. „Du Ausbund von Schönheit," sprach das boshafte Weib, „jetzt ist's um dich geschehen," und ging fort. Zum Glück aber war es bald Abend, wo die sieben Zwerglein nach Hause kamen. Als sie Snee¬ wittchen wie tot auf der Erde liegen sahen, hatten sie gleich die Stief¬ mutter in Verdacht, suchten nach und fanden den giftigen Kamm, und kaum hatten sie ihn herausgezogen, so kam Sneewittchen wieder zu sich und erzählte, was vorgegangen war. Da warnten sie es noch einmal, auf seiner Hut zu sein und niemand die Tür zu öffnen. Die Königin stellte sich daheim vor den Spiegel und sprach: „Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die Schönste im ganzen Land?"