90 Gestein und pumpen sogar das nachsickernde Wasser zur Grube hinaus. Vom Ende der Gänge her dringt der dumpfe Ton der Sprengungen. Pulverdampf verbreitet sich, um aber bald wieder der frischen Luft Platz zu machen, da eine gewaltige Luftröhre stets für den Abfluß der schlechten Luft sorgt. Un¬ unterbrochen, bei Tage und bei Nacht, wird in der Grube wie auch im ganzen Hüttenwerk gearbeitet. Gerade hat eine Abteilung Arbeiter ihre neunstün¬ dige Schicht beendet und harrt des Zuges, der sie ans Tageslicht beför¬ dern soll. Mit Grubenlichtern versehen und in wasserdichte Mäntel gehüllt, drin¬ gen wir in die äußersten Enden der weitverzweigten Gruben vor. Überall herrscht reges Leben; mit dem Hauer wetteifert der Schlepper, und das Pferd erweist sich auch hier als unermüdlichen Gehilfen des Menschen, indem es die Förderwagen auf dem schmalspurigen Schienenstrange dahinzieht. Wir lassen uns Proben des Eisenerzes, der sogenannten Minette, geben und erfahren, daß es etwa 35 Prozent Eisen enthalte. Während unserer Wanderung sind die mit Eisenerz beladenen Wagen wieder an den Personenwagen gekoppelt worden; wir besteigen den Zug und sehen uns nach kurzer Zeit wieder an das Tageslicht befördert. Die Förderwagen unseres Zuges rollen weiter zu der nahe gelegenen Fentscher Hütte. Hier wird das Erz in die großen Behälter geschüttet, durch welche es in die Hängewagen der Drahtseilbahn gleitet. Von der anderen Seite der Hütte her, vom Bahnhöfe Kneuttingen, kommen unterdessen die Eisenbahnwagen, die Koks aus den eigenen Zechen der Hütte, aus dem fernen Westfalenland herangefahren haben. Soeben öffnet sich der Trichter eines der Hochöfen, um aus den genannten Hänge¬ wagen mit Erz und Koks gespeist zu werden. In dem tiefen Schlunde sinken die Massen von Erz und Kohle, in regelmäßigen Schichten nachgeschüttet, langsam abwärts, bis sie nach etwa 30 Stunden in flüssiger Gestalt auf dem Grunde des Hochofens anlangen. Dabei sondert sich die Schlacke vom Eisen wie Ol vom Wasser. Nun wird das flüssige Eisen abgelassen oder, wie der Hüttenmann sagt, abgestochen; die Schlacke wird in kürzeren Zwischenräumen aus der höher gelegenen Öffnung in große Kessel geleitet, die von der Lokonwtive auf den Schlackenberg ge¬ schleppt werden. Das flüssige Eisen aber läßt man entweder auf sandigem Boden sofort zu Eisenbarren, Masseln genannt, erkalten, oder man führt cs in noch flüssigem Zustande dem Stahlwerk zu. Daß sich in einem so bedeu¬ tenden Werk auch alle Werkstätten vorfinden, in denen die zum Betriebe not¬ wendigen Formen gegossen werden, ist natürlich. Als wir bald darauf von dem hochgelegenen Bahnhof Hayingen aus noch einmal das Tal der Fentsch überblickten, da erkannten wir erst, wie sehr die noch vor zehn Jahren so stille und anmutige Gegend durch die mächtig aufblühende Eisenindustrie verändert worden ist. Rauchende Schorn¬ steine, mächtige Hochöfen ragen empor aus den regelmäßigen Reihen der Arbeiterhäuser und den schmucken Schlößchen der Hiittenbesitzer. Die ehe-