2. Friede auf Erden. 11 Als der Orion über das Scheuuendach schaute, stand der Mann aus, nahm das Horn von der Wand und verließ wortlos die Stube. Die Katze strick ihm nach bis an die Tür, dann sprang sie auf den Fenstersims. Aber es wehte ein kalter Zug herein. Mit ein paar Sätzen war sie wieder am Ofen, legte sich aus den alten Platz, und ihre Augen leuchteten nach dem Bette der Sterbenden hinüber. Derweil stieg der Orion höher und höher, und jetzt schauten seine Sterne in die Waldschlncht hinein gleich unten im Dorf. Wolfsloch hieß sie, und die Leute wußten, warum. Das Sternenlicht drang hinab bis aus den schmalen, finsteren Grund. Dort lag eine dunkele Masse, fast regungslos, Mensch und Tier im Ringen auf Leben und Tod. Oben am Eingang zur Schlucht stand der Nachtwächter und spähte hinab. Aber der Blick ging über den Knäuel hinweg, und der Kampf war lautlos; der sausende Odem der Ringenden verwehte, ehe der Lufthanch von dort heraufkam. In dem Augenblick, als der Vater sich umwandte dem Dörflein zu, tauchte aus der Tiefe der Schlucht ein irrer Blick in das blinkende Sternenlicht, und mit Himmelsgewalt schlug wie ein siegreicher Blitzstrahl ein Seelenschrei in die Unendlichkeit: „Herr Gott, ich muß der Altmntter zum Nachtmahl helfen!" Der Nachtwächter war langsam hinaufgestiegen auf den Kirchhofhügel. Man sah dort am weitesten umher. Er spähte in die schneelose Landschaft hinaus, sein Blick weilte ein wenig bei den dunkeln Tannen, die das Wolfs¬ loch zudeckten. Dann ging der Mann langsam über den hellen Friedhof. An einem großen Grabhügel stand er stille. Hier lagen siebzehn, die auf zwei Tage an der Pest gestorben waren. Darunter auch sein Weib und zwei Mägdlein. Ein drittes, die Älteste, hatte das Kriegsvolk mitgeschleppt. Sie war nimmer heimgekommen. Nimmer heimgekommen! Da schnürte es ihm das Herz zu. Er dachte an seinen Buben. Aber wie er nun, um von neuem zu spähen und zu lauschen, das Antlitz hob, leuchteten ihn die Sterne so mild und tröstlich an, daß ihm die Augen feucht wurden. Und mit einen: Male fiel's ihn: ein: Heute ist der Heilaud geboren! Er schaute nach dem Stand der Ge¬ stirne. Es war um die halbe Nacht. Er nahm sein Horn und blies die zwölfte Stunde. Dann schritt er den Hügel hinab. Als er von der sternenhellen Höhe in die finstere Dorfgasse getreten war, hielt er still und hub mit lauter Stimme zu singen an: „Vom Himmel hoch, da komm' ich her, Ich bring' euch gule, neue Mär, Der guten Mär bring' ich so viel, Davon ich singen und sagen will." 5 10 15 20 25 30 35