476 209. Huf dem See. Und frische Nahrung, neues Blut Saug' ich aus freier Welt; Wie ist Natur so hold und gut, Die mich am Busen hält! Die Welle wieget unsern Kahn Im Rudertakt hinauf, Und Berge, wolkig himmelan, Begegnen unserm Lauf. Auf der Welle blinken Tausend schwebende Sterne; Weiche Nebel trinken Rings die türmende Ferne; Morgenwind umflügelt Die beschattete Bucht, Und im See bespiegelt Sich die reifende Frucht. Goethe. 210. Geiftesgruß. Hoch auf dem alten Turme steht Sieh, diese Senne war so stark, Des Helden edler Geist, Dies Herz so fest und wild, Der, wie das Schiff vorübergeht, Die Knochen voll von Rittermark, Es wol zu fahren heißt. Die Becher angefüllt. Mein halbes Leben stürmt' ich fort, Verdehnt' die Hälft' in Ruh', — Und du, du Menschenschifflein dort, Fahr immer, immer zu! Goethe. 211. Huine. / Eine graue Burgruine Und ein Sänger mit der Zither Steht im Abendsonnenglanz, Wandelt singend durch das Thor, Epheu webt, der immergrüne, Die Gestalten kühner Ritter Um die Trümmer seinen Kranz. Ruft er aus der Gruft hervor. Und der Sage Wunderblüte Flicht sich in den Liederstrauß, Sonne, Epheu, Sang und Mythe Zaubern jung das alte Haus. Bechstein. 212. Die Ferne. Des Berges Gipfel war erschwungen Der trotzig in die Tiefe schaut. Natur, von deinem Reiz durchdrungen, Wie schlug mein Herz so frei, so laut! Behaglich streckte dort das Land sich In Eb'nen aus, weit, endlos weit, Mit Türmen, Wald und Flur und wand sich Der Ströme Zier ums bunte Kleid. Hier stieg es plötzlich und entschlossen Empor, stets kühner himmelan, Mit Eis und Schnee das Haupt umgossen, Vertrat den Wolken ihre Bahn.