234 Dramatische Poesie. 210 Der seiner Kunst gewiß ist überall, Dem's Herz nicht in die Hand tritt noch ins Auge. Walther Fürst (wirft sich vor ihm nieder). Herr Landvogt, wir erkennen Eure Hoheit; Doch lasset Gnad' für Recht ergehen, nehmt Die Hälfte meiner Habe, nehmt sie ganz! 215 Nur dieses Gräßliche erlasset einem Vater! Walther Dell. Großvater, knie' nicht vor dem falschen Mann! Sagt, wo ich hinstehn soll! Ich fürcht' mich nicht; Der Vater trifft den Vogel ja im Flug; Er wird nicht fehlen auf das Herz des Kindes. 220 Stauffacher. Herr Landvogt, rührt Euch nicht des Kindes Unschuld? Rösselmann. O denket, daß ein Gott im Himmel ist, Dem Ihr müßt Rede stehn für Eure Thaten! Geßler (zeigt auf den Knaben). Man bind' ihn an die Linde dort! Walther Tell. Mich binden! Nein, ich will nicht gebunden sein. Ich will 225 Still halten wie ein Lamm und auch nicht athmen. Wenn ihr mich bindet, nein, so kann ich's nicht, So werd' ich toben gegen meine Bande. Rudolf der Harras. Die Augen nur laß dir verbinden, Knabe! Walther Tell. Warum die Augen! Denket Ihr, ich fürchte 230 Den Pfeil von Vaters Hand? Ich will ihn fest Erwarten und nicht zucken mit den Wimpern. — Frisch, Vater, zeig's, daß du ein Schütze bist! Er glaubt dir's nicht, er denkt uns zu verderben — Dem Wüthrich zum Verdrusse schieß und triff! (Er geht an die Linde, man legt ihm den Apfel auf.) 235 M elch th al (zu den Landleuten). Was? Soll der Frevel sich vor unsern Augen Vollenden? Wozu haben wir geschworen? Stauffacher. Es ist umsonst. Wir haben keine Waffen; Ihr seht den Wald von Lanzen um uns her. Melchthal. O hätten wir's mit frischer That vollendet! 240 Verzeih's Gott denen, die zum Aufschub riethen! Geßler <zu Tell). Ans Werk! Man führt die Waffen nicht vergebens, Gefährlich ist's, ein Mordgewehr zu tragen, Und auf den Schützen springt der Pfeil zurück. Dies stolze Recht, das sich der Bauer nimmt, 245 Beleidiget den höchsten Herrn des Landes. Gewaffnet sei Niemand, als wer gebietet! Freut's euch, den Pfeil zu führen und den Bogen, Wohl, so will ich das Ziel euch dazu geben. Tell (spannt die Armbrust uud legt den Pfeil auf). Aeffnet die Gasse! Platz! 250 Stauffacher. Was, Tell? Ihr wolltet — nimmermehr —Ihr zittert, Die Hand erbebt Euch, Eure Kniee wanken — Tell (läßt die Armbrust sinken). Mir schwimmt es vor den Augen! Weiber. _ Gott im Himmel! Tell (zumLandvogt). Erlasset mir den Schuß! Hier ist mein Herz! (Er reißt die Brust auf.) Ruft Eure Reisigen und stoßt mich nieder!