237 Schiller: Tell ber Schütz und sein Knabe. (Aus „Wilhelm Tell.") Mit diesem zweiten Pfeil durchschoß ich — Euch, o30 Wenn ich mein liebes Kind getroffen hätte, Und Euer — wahrlich hätt' ich nicht gefehlt. Geßler. Wohl, Tell! Des Lebens hab' ich dich gesichert; Ich gab mein Ritterwort, das will ich halten — Doch weil ich deinen bösen Sinn erkannt, o35 Will ich dich führen lassen und verwahren, Wo weder Mond noch Sonne dich bescheint, Damit ich sicher sei vor deinen Pfeilen. Ergreift ihn, Knechte! Bindet ihn! (Tell wird gebunden.) Stauffacher. . Wie Herr! So könntet Ihr an einem Manne handeln, o40 An dem sich Gottes Hand sichtbar verkündigt? Geßler. Laß sehn, ob sie ihn zweimal retten wird. — Man bring' ihn auf mein Schiff! Ich folge nach Sogleich, ich selbst will ihn nach Küßnacht führen. Rösselmann. Das dürft ihr nicht, das darf der Kaiser nicht, 345 Das widerstreitet unsern Freiheitsbriefen! Geßler. Wo sind sie? Hat der Kaiser sie bestätigt? Er hat sie nicht bestätigt — diese Gunst Muß erst erworben werden durch Gehorsam. Rebellen seid ihr Alle gegen Kaisers 350 Gericht und nährt verwegene Empörung. Ich kenn' euch Alle — ich durchschau' euch ganz Den nehm' ich jetzt heraus aus eurer Mitte; Doch Alle seid ihr theilhaft seiner Schuld. Wer klug ist, lerne schweigen und gehorchen! (Er entfernt sich. Bertha, Rudenz, Harras und Knechte folgen, Frießhardt und Leuthold bleiben zurück.) ^55 Walther Fürst (in heftigem Schmerz). Es ist vorbei; er hat's beschlossen, mich Mit meinem ganzen Hause zu verderben! Stauffacher (zum Tell). O warum mußtet ihr den Wüthrich reizen! Tell. Bezwinge sich, wer meinen Schmerz gefühlt! Q Stauffacher. O nun ist Alles, Alles hin! Mit Euch 360 Sind wir gefesselt Alle und gebunden! Land le Ute (umringen den Tell). Mit Euch geht unser letzter Trost dahin! Leuthold (nähert sich). Tell, es erbarmt mich — doch ich muß gehorchen. Tell. Lebt wohl! Walther Tell (sich mit heftigem Schmerz an ihn schmiegend). O Vater! Vater! Lieber Vater! ^ Tell (hebt die Arme zum Himmel). Dort droben ist dein Vater! Den ruf an! Stauffacher. Tell, sag' ich Eurem Weibe nichts von Euch? Tell (hebt den Knaben mit Inbrunst an seine Brust.) Der Knab' ist unverletzt; mir wird Gott helfen. (Reißt sich schnell los und folgt den Waffenknechten.) -