L Klopp: Roland. — Grimm: Heinrich der Löwe. 79 sie sämtlich zu Tode. Als er sich aus dieser Not befreit sah, schnitt er eine Greifenklaue ab, die er zum Andenken mit sich nahm, stieg aus dem Neste den hohen Baum hernieder und befand sich in einem weiten, wilden Walde. In diesem Walde ging der Herzog eine gute Weile fort; da sah er einen fürchterlichen Lindwurm wider einen Löwen streiten, und der Löwe schwebte in großer Not zu unterliegen. Weil aber der Löwe insgemein für ein edles und treues Tier gehalten wird und der Wurm für ein böses, giftiges, säumte der Herzog Heinrich nicht, sondern sprang dem Löwen mit seiner Hilfe bei. Der Lindwurm schrie, daß * es durch ben Wald erscholl, und wehrte sich lange Zeit; endlich ge¬ lang es dem Helden, ihn mit seinem guten Schwerte zu töten. Hierauf nahte sich der Löwe, legte sich zu des Herzogs Füßen neben den Schild aus den Boden und verließ ihn nimmermehr von dieser Stunde an. Denn als der Herzog nach Verlauf einiger Zeit, während der das treue Tier ihn mit gefangenem Wild ernährt hatte, überlegte, wie er aus dieser Einöde und der Gesellschaft des Löwen wieder unter die Menschen gelangen könnte, baute er sich eine Horde aus zusammen¬ gelegtem Holz, mit Reis durchflochten, und setzte sich aufs Meer. Als nun einmal der Löwe in den Wald zu jagen gegangen war, bestieg Heinrich sein Fahrzeug und stieß vom User ab. Der Löwe aber, der zurückkehrte und seinen Herrn nicht mehr fand, kam zum Gestade und erblickte ihn in weiter Ferne; alsobald sprang er in die Wogen und schwamm so lange, bis er auf dem Floß bei dem Herzoge war, zu dessen Füßen er sich ruhig niederlegte. Hierauf fuhren sie eine Zeit¬ lang auf den Meereswellen; bald überkam sie Hunger und Elend. Der Held betete und wachte, hatte Tag und Nacht keine Ruh' ; da erschien ihm der böse Teufel und sprach: „Herzog, ich bringe dir Botschaft; du schwebst hier in Pein und Not auf dem offenen Meere, und daheim zu Braunschweig ist lauter Freude und Hochzeit. Heute an diesem Abend hält ein Fürst aus fremden Landen Hochzeit mit deinem Weiber denn die gesetzten sieben Jahre seit deiner Ausfahrt sind verstrichen." Traurig versetzte Heinrich, das möge wahr sein, doch wolle er sich zu Gott lenken, der alles wohl mache. „Du redest noch viel von Gott," sprach der Versucher, „der hilft dir nicht aus diesen Wafferwogen; ich aber will dich noch heute zu deiner Gemahlin führen, wofern du mein sein willst." Sie hatten ein lang Gespräche, der Herr wollte sein Gelübde gegen Gott, das ewige Licht, nicht brechen; da schlug ihm der Teufel vor, er wolle ihn ohne Schaden samt dem Löwen noch am selben Abend auf den Giersberg vor Vraunschweig tragen und hinlegen, da solle er seiner warten; finde er ihn nach der Zurückkunft schlafend, so sei er ihm und seinem Reiche verfallen.