222 Vili. Aus der Erd- und Völkerkunde. abgesehen von gepflasterten Landstraßen, in den Mooren die größten Schwierigkeiten hat. Es ist indes nur noch eine Frage der Zeit, wann sene Handelswege hergestellt sein werden. Die Moore sind eine kaum zu erschöpfende Fundgrube; denn Tausende und Tausende von Fudern Torfes, die erst eine allgemeine Abwässerung heben läßt, lagern noch unerreichbar in Sumpf und Wasser. Die Kanäle sind die Lebensadern der Moorgegenden; durch sie allein werden die früher grauenhaften Einöden zu blühenden Kolo- nieen umgeschaffen. Vor allem ist hier der großartigen Kanalanlagen Ostfrieslands zu gedenken, die unter dem Namen Fehne bekannt sind. Das Wort stammt jedenfalls aus dem Altdeutschen, wo Feen oder Fenne so viel als Morast bedeutet, wie denn z. B. auch Finnland (Fennia) von den Deutschen danach benannt wurde. Fehne aber nennt man jene breiten schiffbaren Kanäle, die sich unmittelbar vom Meere oder von der Ems tief in die Moore hinein erstrecken und §u beiden Seiten mit Häusern, Gärten, Äckern und Stapelplätzen versehen sind. Die Kolonisten nämlich, nachdem sie einige Schichten Torf ab¬ gegraben, haben hier den untern Boden wieder zum fruchtbarsten Acker- und Wiesenlande geschaffen, indem sie mit ihren Schiffen, auf denen sie den Torf verfuhren, als Rückfracht teils tierischen Dünger aus dem Überflüsse der Marschen, namentlich aber den an organischen Stoffen so reichen Wattenschlick herbeibrachten, um damit den Boden wieder zu erhöhen und nutzbar zu machen. Kaum gibt es Überraschenderes als den Anblick eines solchen Fehns. Stundenlang wandert man in der einsamen schweigenden Wüste; nichts erblickt das Auge als Moor und Heide, kein menschlicher Laut dringt ans Ohr; da nahet man dem Fehn, und auf einmal ist die ganze Szene eine andere, und das regste Leben und Treiben tritt an die Stelle der Einöde. Der breite Kanal dehnt sich unabsehbar dahin, eine Unzahl von Booten, Kähnen, kleinen Seeschiffen, ein buntes Segel- und Flaggen¬ geflatter belebt ihn; an seinen Ufern, kaum 20—30 Schritte von ein¬ ander, erhebt sich Haus an Haus mit freundlichem rotem Ziegeldach vom reinlichsten Ansehen, dahinter Blumen- und Krautgärtchen, aus denen mancher Fruchtbaum emporsteigt; weiterhin wogen goldene Saaten, leuchtende Raps- und duftende Buchweizenfelder, und dazwischen weidet schweres Marschvieh im üppigen Klee; dort wieder Stapelplätze mit ungeheuren Torfbergen; drüben vielleicht Schiffswerfte mit lautern Hammergepoch; weiterhin lustig drehende Windmühlen und, wohin nran blickt, Handel und Wandel, Arbeit, Wohlstand und Fröhlichkeit, so daß einem das Herz mit fröhlich wird, denn hier arbeiten nicht Hunderte von Knechten für einen einzigen, sondern jeder hat fein eigenes Haus, Ackerland und Torfgrund, wenn auch nicht in großer