78. Sich selbst besiegen. Sich selbselbsten überwinden ist der allerschwerste Krieg; Sich selbselbsten überwinden ist der allerschönste Sieg. 79. Aus dem „Simplicius Simplicissimus“. Christoffel von Grimmelshausen. [Geharnischte Reiter haben die Hheimstätte des etwa zehnjährigen Simplicius überfallen und greulich darin gehaust. Der Knabe hat die Nacht im Walde verborgen zugebracht.] Als aber der Morgenstern im Osten herfürflackerte, sahe ich meines Knäns haus in voller Flamme stehen, aber niemand, der zu löschen begehrte. Ich begab mich herfür in Hoffnung, jemanden von meinem Knän anzutreffen, ward aber gleich von fünf Reutern erblickt und an— geschrien: Jung, kom heröfer, oder skall my de Tüfel halen, ick schiete dick, dat di de Dampf tom hals ut gaht. Ich hingegen blieb ganz stochstill stehen und hatte das Maul offen, weil ich nicht wußte, was der Reuter wollte oder meinte, und indem ich sie so ansahe, wie die Katze ein neu Scheuntor, sie aber wegen eines Morastes nicht zu mir kommen konnten, welches sie ohne Zweifel rechtschaffen verierte, lösete der eine seinen Kara— biner auf mich, von welchem urplötzlichen Feuer und unversehnlichem Klapf, den mir Echo durch vielfältige Verdoppelung grausamer machte, ich dermaßen erschreckt ward, weil ich dergleichen niemals gehöret und gesehen hatte, daß ich alsobald zur Erde niederfiel und alle biere von mir streckete, ja, ich regete vor ängst keine Ader mehr, und wiewohl die Reuter ihres Weges fortritten und mich ohn Zweifel vor tot liegen ließen, so hatte ich jedoch denselbigen ganzen Tag das herz nicht, mich aufzu— richten, noch mich nur ein wenig hin und wieder umbzusehen. Als mich aber die Nacht wieder ergriff, stund ich auf und wanderte so lang im Wald fort, bis ich von fern einen faulen Baum schimmern sahe, welcher mir eine neue Furcht einjagte, kehrete derowegen sporenstreichs wieder um und ging so lang, bis ich wieder einen andern dergleichen Baum er—⸗ blickte, von dem ich mich gleichfalls wieder fort machte, und auf diese Weise die Nacht mit hin- und Widerrennen von einem faulen Baum zum andern vertrieb. Zuletzt kam mir der liebe Tag zu hilf, welcher den Bäumen gebot, mich in seiner Gegenwart unbetrübt zu lassen, aber hiermit war mir noch nichts geholfen, denn mein herz stak voll Angst und Furcht, die Schenkel voll Müdigkeit, der leere Magen voll hunger, das Maul voll Durst, das hirn voll närrischer Einbildung und die Augen voll Schlaf. Ich ging dannoch fürder, wußte aber nicht, wohin. Je weiter ich aber ging, je tiefer ich von den Leuten hinweg in Wald kam. Damals stund ich aus und empfand (jedoch ganz unvermerkt) die Wirkung des Unverstands und der Unwissenheit; wann ein unvernünftig Tier an meiner Stelle gewesen wäre, so hätte es besser gewußt, was es zu