134 100. Meeresstille. Wolfgang Goethe (1795). Tiefe Stille herrscht im Wasser, Keine Luft von keiner Seite! Ohne Regung ruht das Meer, Todesstille fürchterlich! Und bekümmert sieht der Schiffer In der ungeheuren Weite Glatte Fläche rings umher. Reget keine Welle sich. 101. Glückliche Fahrt. Wolfgang Goethe (1795). Die Nebel zerreißen, Es rührt sich der Schiffer. Der himmel ist helle, Geschwinde! geschwinde! Und äolus löset Es teilt sich die Welle, r— Es naht sich die Ferne: Es säuseln die Winde, SsSchon seh' ich das Land! 102. Der König in Thule. Wolfgang Goethe (1775). 1. Es war ein König in Thule, 4. Er saß beim Königsmahle, Gar treu bis an das Grab, Die Ritter um ihn her, Dem sterbend seine Buhle Auf hohem Vätersaale Einen goldnen Becher gab. Dort auf dem Schloß am Meer. 2. Es ging ihm nichts darüber, 5. Dort stand der alte Zecher, Er leert' ihn jeden Schmaus; Trank letzte Lebensglut Die Augen gingen ihm über, Und warf den heil'gen Becher So oft er trank daraus. hinunter in die Flut. 3. Und als er kam zu sterben, 6. Er sah ihn stürzen, trinken Zählt' er seine Städt' im Reich, Und sinken tief ins Meer. Gönnt' alles seinem Erben, Die Augen täten ihm sinken; Den Becher nicht zugleich. Trank nie einen Tropfen mehr. 103. Vineta. wilhelm Müller. 1. Aus des Meeres tiefem, tiefem 2. In der Fluten Schoß hinab— Grunde, gesunken Klingen Abendglocken dumpf und matt, Blieben unten ihre Trümmer stehn; Uns zu geben wunderbare Kunde Ihre Zinnen lassen goldne Funken von der schönen, alten Wunderstadt. Widerscheinend auf dem Spiegel sehn.