356 78. Vom hörnernen Siegfried. 7. Uus der deutschen Kel'den- und ^oiMage. 78. Vom hörnernen Siegfried. 1. Siegfrieds Jugend. Gustav Schwab. Die deutschen Volksbücher. 9. Aufl. Gütersloh. S. 1. In den Niederlanden wohnte ein König mit Namen Sieghart, dessen Gemahlin Siegelinde hieß. Sie hatten ein einziges Kind, das den Namen Siegfried erhielt. Der Knabe Siegfried war grofi und stark, gab nichts aus Vater und Mutter, sondern dachte nur darauf, wie er ein freier Mann werden möchte. Er machte damit seinen Eltern große Sorge, und der König pflog mit seinen Vertrauten Rath, wie man den Knaben in die Fremde ziehen lassen könnte, wo er etwas zu erstehen hätte, ob nicht vielleicht noch ein tapferer Held aus ihm werden könnte. Aber Siegfried konnte die Zeit nicht erwarten, bis ihn der Vater aus¬ gestattet hätte, sondern er ging ohne Urlaub davon, sein Abenteuer zu versuchen. Indem er nun durch Gehölz und Wildniß zog und der Hunger ihn allmählich zu quälen anfing, sah er vor einem dichten Walde ein Dorf liegen und richtete seine Schritte nach demselben. Zunächst vor dem Dorfe wohnte ein Schmied; ihn sprach Siegfried an, ob er einen Jungen oder Knecht nöthig habe; denn er hatte zwei Tage nichts gegessen und war zu Fuß eine große Strecke gegangen; nachhause zu¬ rückzukehren schämte er sich, und der Weg war auch sehr weit. Als der Schmied sah, daß Siegfried ein wackres und gesundes Aussehen hatte, ließ er sich's gefallen und gab dem Knaben zu essen und zu trinken, desfen Siegfried wol bedurfte. Weil es nun spät am Tage war, ließ er ihn zu Bette weisen, und am andern Morgen stellte er ihn als seinen Jungen an und führte ihn zur Arbeit; denn er wollte sehen, ob er sich auch zum Handwerk schicke. Als er ihm. aber den Hammer in die Hand gegeben, da schlug Siegfried mit so grausamer Stärke auf das Eisen, daß dieses entzwei ging und der Amboß beinahe in die Erde sank. Der Mann erschrak darüber und wurde ärgerlich; er nahm den jungen Sieg¬ fried beim Haare und zausete ihn ein wenig. Dieser aber, der solchen Dinges nicht gewohnt und erst kürzlich deshalb seinen Eltern entlausen war, weil er auch den kleinsten Zwang nicht leiden konnte, nahm den Meister beim Kragen und warf ihn auf Gottes Erdboden nieder, daß er sich geraume Zeit nicht besinnen konnte. Sowie er aber zu sich selber kam, rief er seinen Knecht, daß er ihm zu Hilfe kommen sollte. Diesen empfing jedoch Siegfried wie seinen Herrn, so daß der Meister