' — 220 — j i Sich übern Graben. „Hätt' ich das gedacht!" Spricht er und eilt, indes des Feindes Stimme * Dem Flüchtigen bald fern und ferner schallt, Froh übers Blachfeld in den sichern Wald. Verborgen bleibt die eig'ne Kraft den meisten, Die still hin wirken, friedlich, unbedroht; Wie Schweres, Großes er vermag zu leisten, Das lernt der Mensch erst kennen durch die Not. V. Blüthgen. 6. Herz und Auge. Bin ich nicht wie alle Glieder, Du die Fürstin, ich der Knecht? Bracht' ich je dir süßes Leiden, Ohne daß du mich gesandt? War ich je des Feindes Freundin Ohne Winke deiner Hand? Schloß ich nicht, wie du befählest, Mich dem liebsten Raube zu? Ließ ich nicht zu tausend Malen Dir und du mir nimmer Ruh'? Aus dem Herzen keimt die Sünde; Auge bringt sie nicht hinein. Du vergiftest meine Blicke, Du bist schuld an deiner Pein!" Also streiten sie und beide Sündigen in ihrem Streit. Herz, du bist des Bösen Quelle, Auge, die Gelegenheit. I. G. Herder. 7. Die beiden Wächter. Zween Wächter, die schon manche Nacht Die liebe Stadt getreu bewacht, Verfolgten sich aus aller Macht Auf allen Bier- und Branntweinbänken Und ruhten nicht mit pöbelhaften Ränken Einander bis aufs Blut zu kränken; Denn keiner brannte von dem Span, Woran der and're sich den Tabak angezündet, Aus Haß den seinen jemals an. Wer noch nicht die böse Zwietracht Zwischen Herz und Auge kennt, Weiß noch nicht, warum so töricht Oft er weinet, oft er brennt. Klagend spricht das Herz zum Auge: „Du bist schuld an meiner Pein, Du, die Wächterin der Pforte, Lockest selbst den Feind hinein! Du, der Bote süßen Todes, Bringst hinein mir alles Weh, Ach, und wäschest deine Sünde Nicht mit einer Tränensee. Ach, und kann dich aus nicht reißen, Bis mich selbst die Hölle trifft — Auch in meine frömmsten Freuden, In die Reue mengst du Gift." Auge spricht zum Herzen wieder: „Deine Klag' ist ungerecht;