144 Verstand beschäftigt und so unsere Freude in Übermut ver¬ wandelt. Aber diese Eitelkeit im Glücke wird nicht bloß dadurch erweckt, daß wir uns über uns selbst als Urheber desselben freuen, sondern auch, wenn wir es von anderen herleiten, die irgendwie, sei es an Rang, an Macht, an Anzahl, an Ruhm oder Talenten, einen Vor¬ zug haben. So vergrößert der Urheber den Wert der Sache in unseren Augen oft weit über den Grad des Nutzens oder des Ver¬ gnügens, welche sie selbst uns gewährt. Wie viele Glückliche alter und neuer Zeit beschäftigen sich nicht und ermüden andere damit, daß es ein König, ein großer Mann, eine ganze Volksversammlung sei, von welchen sie ihre Schätze und Würden erhalten hätten! So erscheint es als eine der ersten Lebensregeln, im Unglücke nicht zu viel an unsere Fehler, im Glücke nicht an unsere Verdienste zu denken, in beiden Fällen also die Gemütsbewegung zu müßigen, indem wir die Ursachen derselben soviel wie möglich vergessen. Nach Chr. Garde. 43. Erfahrung. Erfahrung ist das einzige Kapital, das nie abnimmt, sondern stetig wächst: aber es trägt Zinsen nur dem, der es selbst gesammelt hat, und auch dem meistens erst dann, wenn es zu spät ist. Und dennoch muß jeder sie sammeln, er mag wollen oder nicht. Für den Knaben und Jüngling ist sie ein leeres Wort, mit dem er nichts anzufangen weiß, erfunden, wie er meint, um ihn zu demütigen und ihn auszuschließen von der Gemeinschaft der Er¬ wachsenen. Das Leben gibt ihm noch keine Rätsel auf; alles er¬ scheint ihm durchsichtig und klar, ist es doch nur da um seinetwillen. [ Und das ist die erste Erfahrung, die er machen muß, daß er nicht den Mittelpunkt der Welt bildet und die Welt nicht von ihm ab¬ hängig ist: eine wertvolle, aber auch eine bittre und oft verbitternde Erfahrung. Er ist nicht zufrieden mit dem Gange der Welt, er glaubt ihn beschleunigen, ihm eine andere Richtung geben zu können. Er denkt nicht daran, daß viele dasselbe vor ihm gewollt haben; doch wie sie muß auch er die Erfahrung machen, daß der einzelne nur ein winziger Tropfen in dem Ozean des Lebens ist, der mit ihm flutet und ebbt, auf und nieder in ewiger Wiederkehr, wie er sich auch sperren und sträuben mag. Aber es dauert lange, bis