163 ein fürchterliches Getöse und Geheul; er aber ruft von Zeit zu Zeit drein: „Wod! Wod! Hallo! Hallo! Halt den Mittelweg! Halt den Mittelweg!" Seine Fahrt geht meistens durch wilde Wälder und öde Heiden, und in der Mitte der ordentlichen Straßen und Wege darf er nicht reiten. Trifft er zufällig auf einen Kreuzweg, so stürzt er mit Pferd und Mann und Maus fürchterlich über Kopf und rafft sich weit jenseits erst wieder auf; doch auch die, welche er jagt, dürfen diesem Kreuzwege nicht zu nahe kommen. Und was für Wildbret jagt er? Unter den Tieren alles diebische und räuberische Gesindel, welches zur Nachtzeit auf Mord und Beute schleicht, Wölfe, Füchse, Buchse, Katzen, Marder, Iltisse, Ratten und Mäuse, und von Menschen Mörder, Diebe, Räuber, Hexen und Hexenmeister und alles, was von dunkeln und nächtlichen Künsten lebt. So muß dieser Bösewicht, der im Leben so viel Unglück anrichtete, es gewissermaßen im Tode wieder gut machen. Er hält, was die Leute sagen, die Straße rein; denn wehe dem, welchen er bei nächtlicher Weile auf verbotenen Schleichwegen oder im Felde und Walde antrifft, und der nicht ein gutes Gewissen hat! Wie mancher muß wohl zittern, wenn er sein „Hoho! Hallo! Halt den Mittelweg! Halt den Mittelweg!" hört. Denn gewöhnlich jagt er, was er vor seine Peitsche nimmt, so lange, bis es die Zunge aus dein Halse streckt und tot hinfällt. 73. Wilhelm Tell. (Ferd. Bäßler.) Unter dem Kaiser Albrecht that Geßler, Landvogt zu Uri und Schwyz, den Landleuten daselbst großen Zwang an, hielt sie streng und hart und nahm sich vor, eine Feste in Uri zu bauen, damit er und andere Landvögte nach ihm um so sicherer dort wohnen möchten, wenn Aufruhr entstände, und auch das Land in desto größerer Furcht und in Gehorsam erhalten würde. Er fing also an, auf einem bei ^lltorf. dem Hauptflccken, gelegenen Hügel den Bau ins Werk zu setzen, und wenn ihn jemand fragte, wie die Feste heißen werde, antwortete er: „Zwing Uri wird ihr Name sein." Das verdroß die edlen Landsasscn und gemeinen Landleute in Uri, und als sie sich das werken ließen, wurde Geßler grimmig und drohte, er wolle sie so weich und zahm machen, daß man sie um einen Finger winden könne. Da ließ er zu Altorf am Platze bei der Linde, wo viele vorüber¬ gingen, eine Stange aufrichten, einen Hut oben darauf legen und gebieten, daß jeder, der vorüberginge, sich vor dem Hute neigen sollte, ii*