85v 57 Geschlechts gewinnen und sich den Zugang zu den Herzen der Frauen öffnen. Indes zeigte er seine Liebe und Barmherzigkeit gegen sie noch in wirksamerer Weise. „Er zog durch die Gaue Palästinas dahin, indem er Wohltaten spendete und heilte; denn Gott war mit ihm“ (Apg. 10, 38). Er spendete diese Wohltaten und wirkte die Heilungen für die Frauen ebenso wie für die Männer. Das Weib, welches zwölf Jahre an einer Krankheit litt, ohne durch menschliche Hilfe die Gesundheit zu erlangen, durfte infolge ihres starken Glaubens an Jesu übernatürliche Heilung erfahren (Luk. 8, 42ff.), und jenem andern Weibe, das acht— zehn Jahre lang verkrümmt, gelähmt, des freien Gebrauches der Glieder beraubt war, legte er die Hände auf, und sie wurde aufgerichtet und pries Gott (Luk. 13, 10ff.). Als der Herr ein andermal auf der Wan— derung durch Galiläa begriffen war und dem Tor einer kleineren Stadt sich nahte, trugen sie einen Toten heraus, den einzigen Sohn einer Mutter, und diese war Witwe. „Weine nicht,“ kam es da über die Lippen des großen Menschenfreundes: er wartete nicht, bis man ihn um Hilfe bat; sein herzinniges Erbarmen kam aller Bitte zuvor; dann, als er den Sohn lebend in die Arme der Mutter zurückgegeben, zog er weiter, während das Trauergeleite jubelnd in die Stadt zurückkehrte (Lutk.7, 1217). Doch wurde solche Hilfeleistung in zeitlichen und leiblichen Nöten weit überboten durch die eigentlich erlösende Tätigkeit, welche der Heiland dem Frauengeschlecht widmete. Es war ohne Zweifel im Mai 782 — 29, als er nach seinem ersten Auftreten in Jerusalem an dem Passahfeste und nach einem kurzen Aufenthalt in der Landschaft Judäa durch Sa— marien den Weg nahm und müde von der Wanderung neben dem Jakobsbrunnen sich niedersetzte, und es kam ein Weib aus dem nahen Städtchen Sychar, um Wasser zu schöpfen. Jesus läßt sich mit ihr in ein Gespräch ein und führte sie zur Erkenntnis ihrer Sündhaftigkeit, zur Reue und Sinnesänderung. So erzählt der vierte Evangelist (4, 1ff.), und man darf unbedenklich den Vorwurf der Empfindungslosigkeit gegen diejenigen erheben, welche die einzige Schlichtheit der Erzählung, den Ton der unerfindbaren Volkstümlichkeit und die lebhafte Frische des Stils in dieser Perikope nicht erkennen wollen; da liegt fürwahr ein Stück der heiligen Geschichte vor, wenngleich Johannes nicht schrieb, um Geschichte zu schreiben, sondern um die Geschichte Jesu als Heils— geschichte darzustellen; es ist hier wirklich das Ideal der subjektiv christ—